Venedig macht süchtig

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Mitte November 2023 war ich für 5 Tage in Venedig.
Anlass war der Besuch der Architekturbiennale.
Aber hauptsächlich wollte ich nach Venedig fahren, um diese museale Kulisse mit den prachtvollen Palazzi und Kirchen, den pittoresken Brücken über den Canal Grande und seine Nebenkanäle, die Farben, Patina und den maroden Charme der Häuserfronten zu sehen, geniessen und darin zu schwelgen.

Ich hatte unheimlich Glück mit dem Wetter. Fünf Tage fast ausnahmslos Sonnentage. Und das in der 2. Novemberhälfte!
Da macht es Spaß, an der Riva degli Schiavoni , der Uferpromenade von der Piazetta San Marco bis Arsenale oder den Gardini, entlang zu schlendern.

Laurea – Uniabschluss mit Loorbeerkranz

 Der Corso di Laurea ist in Italien das dreijährige, grundständige Studium, das dem europäischen Bachelorstudium entspricht.
In Anspielung auf den antiken römischen Lorbeerkranz wird der akademische Abschluss allerdings Laurea genannt. Und einen Loorbeerkranz, ein Ehrensymbol, geschmückt mit Schleifen und Blüten, tragen die Absolventen am Tag der Abschlussfeier. 

Typischerweise findet die Abschlussfeier nicht weit von der Fakultät entfernt statt. Neue Absolventen laden Verwandte und Freunde ein, ihren lang erwarteten Abschluss in einer örtlichen Bar oder einem Restaurant zu feiern. Wie hier auf dem Campo Santa Margherita. Denn die Università Ca‘ Foscari di Venezia ist gleich um die Ecke.

Überall auf dem Platz wird Dottore, dottore, dottore del buso del cul, vaffancul, vaffancul lauthals gesungen. Dieses derbe Lied wird traditionell am Abschlusstag immer wieder angestimmt.

Brücken – Kanäle- Häuserfassaden

Am schönsten ist es, sich in Venedig treiben zu lassen und die Kulisse mit ihren dunkelroten, dunkelgelben und ockerfarbenen Häuserfronten zu bestaunen, die sich häufig in den Kanälen spiegeln, wie auch die vielen, kleinen Brücken. Das ist zauberhaft für das Auge und das Herz.

Ponte di Rialto

Sotoportego

Ein Sotoportego ist ein Fußweg in Venedig, der unter einem Gebäude hindurchführt, gelegentlich auch unter einem Bogen. Er verbindet zwei Gassen oder führt zu einem Kanal.
Ich finde es jedesmal spannend, wenn ich an einem Sotoportego vorbeikomme und gehe hindurch, um zu sehen, was sich auf der anderen Seite befindet. Hier führe ich euch einen vor, den ich auf dem Weg zur Scuola Grande di San Rocco entdeckt habe. Und die Entdeckung war überraschend! Die Spiegelung der Chiesa di San Rocco im Wasser!

Piazza San Marco

Die Piazza ist so bekannt, dass ich euch die vier Fotos mal in schwarz-weiß präsentiere.
Die Strukturen treten klar in Erscheinung und das Fliesenmuster auf den Böden, das es mir sehr angetan hat, entfaltet seine Wirkung ganz besonders in schwarz-weiß.

Architekturbiennale

Die 18. Architekturbiennale 2023 trägt den Namen The Laboratory of the Future und versteht sich als Zukunftslabor, bei dem ein Umbruch im Denken und Handeln im Vordergrund steht. Auch die Idee von Architektur steht zur Diskussion, die nicht mehr im Formen von Raum, sondern im Lösen gesellschaftlicher Probleme besteht. Nahezu jeder der 64 Länderpavillons thematisiert die Nutzung lokaler Ressourcen, die Wiederbelebung alten Handwerks, die Optimierung traditionellen Wissens.

Standorte sind die Giardini und das Arsenale.
In den Giardini befindet sich der zentrale Pavillon und die Länderpavillons.
Die Fülle der Eindrücke war überwältigend, sodass ich mich nicht entscheiden konnte, welches Projekt ich herausgreife. Deshalb ein Eindruck der Giardini im milden Nachmittagssonnenlicht.

Das Arsenale kennzeichnete die Flottenbasis der ehemaligen Republik Venedig.
Es war im vorindustriellen Zeitalter das größte Produktionszentrum Venedigs. Ein riesiger Baustellenkomplex, auf dem die Flotten Venedigs gebaut wurden. Das Arsenale ist ein Symbol der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht der Stadt.
Seit 1980 ist das Arsenale anlässlich der 1. internationalen Architekturausstellung Ausstellungsort der Biennale.

Besonders hat mich die Schiffswerft beeindruckt mit ihren Säulen und Bögen und ihrer Reflektion im grünen Wasser. Und deshalb hat mich auch die Installation Time and Change von Serge Attukwei Clottey fasziniert.
Sie setzt einen schwingenden Kontrapunkt zu den statischen Säulen.

Serge Attukwei Clottey (geb. 1985) ist ein ghanaischer Künstler, der in den Bereichen Installation , Performance , Fotografie und Skulptur arbeitet.  
Er ist der Schöpfer des Afrogallonismus.


ein künstlerisches Konzept zur Erforschung der Beziehung zwischen der Verbreitung der gelben Ölgallonen im Hinblick auf Konsum und der Notwendigkeit im Leben des modernen Afrikaners.  

Als Gründer von Ghanas Go Lokal versucht Clottey, die Gesellschaft durch Kunst zu verändern.

Für The Laboratory of the Fututure hat Clottey eine Wiederholung seines Afrogallonismus-Projekts konstruiert und entlang der oberen Stützstruktur des Gaggiandre (Schiffswerft) installiert. Es schwebt über dem Wasser und wird entlang der Oberfläche darunter reflektiert.

Banksy und LeDiesis

Ich wusste, dass es ein Mural von Banksy in Venedig gibt. Ich hatte mir auch auf der Karte angeschaut, wo es ist und festgestellt, dass es nicht weit von meinem Hotel entfernt an einer Häuserwand knapp über dem Wasser angebracht war.
Und dann habe ich es komplett vergessen.

Und bin durch Zufall auf meinem Weg zur Scuola Grande di San Rocco (Tintoretto satt!) darüber gestolpert.
Wie das dazugehörige Haus ist das Mural in einem desolaten Zustand von der Feuchtigkeit des angrenzenden Kanals.
Banksy muss es von einem Boot aus gemalt haben.

Das Mural zeigt ein Flüchtlingskind mit Seenotfackel.
Es setzt einen starken Kontrapunkt zum ebenfalls auf der 58. Biennale 2019 ausgestellten Flüchtlingsschiff Barca Nostra des Schweizer Künstlers Christoph Büchel.
Das tunesische Flüchtlingsboot havarierte 2015 vor Lampedusa. Mehr als 800 Migranten aus Afrika starben, eingeschlossen in einer Kabine unter Deck. Die Barca Nostra sorgte auf der Biennale für Kontroversen über Freiheit und Grenzen der Kunst. 

Leider ist dem Mural von Lediesis schon zugesetzt worden. Ich habe es in einer Gasse, die an der Unibibliothek vorbeiführt und voller Graffiti und kleiner Murals ist, entdeckt.
Ich weiß nicht, welche starke Frau LeDiesis hier abgebildet hat. Jedenfalls trägt sie mit Stolz ihr Super Woman T-Shirt.

Sonnenauf- und untergang

Ich hatte mein Zimmer im 4. Stock nach Osten. Ich war überrascht, wie ich am nächsten Morgen entdeckte, wie die Sonne mit ihren kräftigen Farben am Horizont aufging. Und ich durfte mir das Schauspiel vier Tage lang anschauen. Glück gehabt!

Abschied

Mein Flieger ging gegen 19 Uhr. Das gab mir Zeit, noch etwas zu unternehmen.
Und als Abschluss habe ich mir auf dem Campo Santa Margherita Cicchetti, venezianische Tapas, und ein Glas Wein in der Sonne gegönnt.
Und anschließend ein Törtchen und Kaffee in einer kleinen Konditorei auf dem Campo Santa Margherita.

Alla prossima!

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Foto einfach anklicken!

Piazetta San Marco
Mural in Venedig
Blick auf die Basilica di San Giorgio Maggiore

12 Replies to “Venedig macht süchtig”

  1. Liebe Barbara,

    jeder von uns kennt Bilder von Venedig, von denen sich viele mehr oder weniger ähneln: Mainstream. Da gibt es wenig Neues. Ganz anders bei Dir.
    Beim Stöbern durch Deinen Artikel über diese wunderbare Stadt hast Du durch gänzlich neue Perspektiven meine Sicht auf Venedig deutlich erweitert. Zudem hattest Du großes Glück, Venedig im November bei Sonnenschein zu erleben. Dies sorgt dafür, die Farben der ausgesuchten Motive noch stärker strahlen zu lassen.
    Ein weiterer großartiger Beitrag – ein echter Gewinn. Vielen Dank.

    Angelika

    1. Liebe Angelika,

      ganz herzlichen Dank für dein Lob.

      Venedig ist eine so spannende, museale Kulisse, da scheint es sich wie von selbst zu fotografieren. Und da ich neugierig bin, schaue ich immer um die Ecke. Das wird in Venedig besonders belohnt.

      Liebe Grüße
      Barbara

    1. Lieber Wolfgang,

      danke für deine Rückmeldung. Venedig bietet einfach eine fantastische Kulisse!

      Liebe Grüße
      Barbara

  2. Liebe Barbara,
    nach einem dunklen Regentag bin ich nun durch Venedig geschlendert.

    Die Bilder sind – wie immer – farbenfroh und wecken Reiselust; kaum zu glauben, dass du im November so viel Sonne hattest.

    Und Venedig überzeugt aber eindeutig auch in schwarz-weiß!

    Danke für diese Lichtblicke im deutschen Februar, der wie ein November wirkt.

    Beste Grüße
    Daniel

    1. Sehr gerne, Daniel!

      Der heutige Tag war perfekt, um sich nach Venedig zu beamen. Ich denke, ich hatte auch viel Glück mit den durchgehenden Sonnentagen. Bin gespannt, wie es Ende Februar sein wird.

      Ich mache hin und wieder Architekturfotos in schwarz-weiß. Diese hier eignen sich besonders und gefallen mir gut. Ich denke, ich könnte das öfter machen.
      Auf jeden Fall ist Venedig eine Reise wert – außerhalb der Saison!

      Liebe Grüße
      Barbara

  3. Liebe Barbara,

    nichts wie auf nach Venedig!! Dir gelingt es immer wieder, Lust auf Städte zu machen! Wie immer, tolle Eindrücke und kunstvolle Fotos. Die Schwarz-weißen sind ganz besonders!

    1. Liebe Lisa,

      danke für deine Rückmeldung.

      Venedig macht tatsächlich süchtig. Und ich freue mich, dass ich Ende Februar wieder da bin.
      Ja, die schwarz-weißen Fotos gefallen mir auch sehr gut. Sie bringen die Struktur gut heraus. Da, wo die Farbe zählt, funktioniert das nicht oder nicht so gut.

      Liebe Grüße
      Barbara

  4. Liebe Barbara,

    wieder ein sehr interessanter und informativer Bericht über Venedig! Mit einer Architektur Biennale in den 2000er Jahren hatte ich seinerzeit mal beruflich zu tun; Leider gab es keine Möglichkeit damals vor Ort zu sein. Die Biennalen versuchen seit langem schon Vorreiter für zukünftige Entwicklungen zu sein. Insofern sind sie wichtig. Und Venedig ist sowieso immer eine Reise wert. Deine Fotos von den Fassaden und Brücken sind wunderbar. irgendwie wirkt es wie eine Kulisse, aber dahinter wohnen wirklich normale Menschen. Was mag das für ein Lebensgefühl sein, an so einem Ort zu leben? Man müsste vielleicht mal Commissario Brunetti fragen…
    Liebe Grüße Rainer

    1. Lieber Rainer,

      ich war das erste Mal auf der Architekturbiennale, weil mich Architekturprojekte interessieren. Da gab es viele Modelle, die im Dienste der Menschen sein sollen und den klimatischen Bedingungen angepasst sind. Manche als Modell, manche tatsächlich realisiert.

      Fakt ist ja, dass nicht mehr viele Venezianer in Venedig leben, sondern auf dem Festland. Es muss ziemlich unerträglich im Sommer mit den vielen Touristen sein. Und für ältere Menschen ist es unbequem und beschwerlich. Die Wohnung von Commissario Brunetti ist spektakulär. Da kann man gut wohnen. Aber hinter vielen charmanten Häuserfassaden mit Patina sieht es bestimmt nicht so komfortabel aus.
      Ich weiß das, finde das sich Verlieren in den Gassen und über den Brücken trotzdem wunderbar.

      Liebe Grüße
      Barbara

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