Ich war schon dreimal in den Wintermonaten in Venedig. Diesmal war das erste Mal, dass ich früh morgens Nebel erlebt habe.
Gehofft hatten wir auf einen Sonnenaufgang, aber der Nebel war eine gelungene Überraschung.
Verschwommene Konturen, Gebäude wie mit einem leichten Schleier verhüllt. Schemenhaft wirkende einzelne Personen, die über den Platz huschen. Kein Blick in die Ferne.
Dieser Anblick hat etwas Mystisches, nicht Greifbares, Verunsicherndes.
Kein Wunder, dass Nebel in Venedig zum Topos geworden ist, der die Literatur und den Film inspiriert hat.
Der Schauplatz des Films Wenn die Gondeln Trauer tragen von 1974 ist ein Venedig, das sich als die Kehrseite touristischer Werbebroschüren vorstellt. Richmond kitzelt mit seinen Bildkompositionen den düsteren Zauber der Lagunenstadt hervor, die von einem getrübten Firmament umschlossen ist. Hinter einem Grauschleier lauert etwas Undefinierbares. Realität und Fantasie verschwimmen. Das Thema des Films ist das Sehen und das Sehen in übernatürlichen Dimensionen. Dazu eignet sich Nebel perfekt!
Bei Thomas Manns Novelle Tod in Venedig lässt schon der Titel ein tragisches Ende des Protagonisten erwarten.
Thomas Mann benutzt Venedig als Folie für den Untergang seines Künstlers, dessen fortschreitender eigener Verfall im Zentrum der Novelle steht. Das Setting Venedig, das von Verfall und Morbidität gekennzeichnet ist, begleitet den Protagonisten auf Schritt und Tritt und vergegenwärtigt sein Schicksal. Auch hier trägt Nebel zur atmosphärischen Dichte bei.
Der Tod ist sowohl im Film als auch in der Novelle zentrales Thema und mit diesem Mindset kann man die Stadt entsprechend sehen.
Für mich war es spannend, das Vage, nicht klar Durchschaubare und Unsichtbare zu fotografieren.
Mich hat die Neugier angetrieben, nicht die Angst oder Todesfurcht.
Piazetta San Marco
Wir haben jeden Morgen von 6 – c. 7.30 Uhr auf dem Markusplatz fotografiert. Am letzten Morgen, dem Nebelmorgen, habe ich mich auf die Piazetta San Marco und den Molo beschränkt. Es war auch etwas kniffelig auf dem Markusplatz selbst zu fotografieren, weil dort zur Zeit etliche Baustellen sind.
Blaue Stunde im Laternenschein
Die ersten vier Fotos zeigen die Piazetta San Marco mit Laternenbeleuchtung und einem satten blauen Himmel, wie er kurz vor Sonnenaufgang am Himmel erscheint.
Die Laternen verströmen durch den Nebel ein diffuses Licht und die Gebäude wirken unscharf hinter dem Nebelvorhang.
Und wenn die Laternen ausgeschaltet sind
Wenn die Laternen ausgeschaltet sind und das satte Blau verschwunden ist, wirken die Fotos blasser, grauer mit einem grauen, minimal blau gefärbten bzw. lila Himmel. Hier kann man die Atmosphäre schon als trist bezeichnen. Und die Nebelnässe empfindet man stärker.
Der Molo vor dem Dogenpalast
Und hier kommen Gondeln satt!
1562 wurde die Farbe Schwarz für alle Gondeln vorgeschrieben. Als Stadtoberhaupt verordnete der Doge Girolamo Privli den Einheitslack, weil er der ausufernden Prunksucht venezianischer Bürger Einhalt gebieten wollte.
Davor war die Gondel nämlich zu einem Symbol von Macht und wirtschaftlichem Reichtum geworden, was in einem regelrechten Wettkampf unter den Adligen ausartete, wer die prächtigste und bunteste Gondel besaß.
Bei Thomas Mann liest sich das so:
Das seltsame Fahrzeug, aus balladesken Zeiten ganz unverändert überkommen und so
Thomas Mann, Tod in Venedig
eigentümlich schwarz, wie sonst unter allen Dingen nur Särge es sind, – es erinnert an lautlose
und verbrecherische Abenteuer in plätschernder Nacht, es erinnert noch mehr an den Tod
selbst, an Bahre und düsteres Begängnis und letzte, schweigsame Fahrt. (26)
Diese Assoziationen hatte ich nicht. Ich war allerdings erstaunt, wie eingeschränkt die Sicht war.
Verschwunden war die vorgelagerte Insel San Giorgio Maggiore mit der gleichnamigen Benediktinerabtei und Kirche. Und die Punta Della Dogana neben der Kirche Santa Maria della Salute.
Um so mehr konnte ich mich auf die Gondeln konzentrieren.
Im ersten Bild haben mich die im Licht der Laterne gelblich schimmernden Bugeisen der Gondeln fasziniert.
Im zweiten die Stege mit den vielen Laternen.
Auf Foto 3-5 sieht man schemenhaft ein Schiff vorbeiziehen. Und auf dem letzten Foto fährt ein Gondoliere seine Gondel zum Ankerplatz. Die Laternen sind ausgeschaltet und der Himmel verfärbt sich mit vorrückender Uhrzeit.
Es war ein Glücksfall, diese Lichtstimmung am frühen Morgen zu erleben!
Was empfindet ihr beim Anblick der Nebelbilder von Venedig? Was seht ihr?
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Wenn ich nicht schon ein Fan dieser Seiten wäre, mit Nebel in Venedig würde ich es jetzt werden. Wundervoll. Ich hatte einmal ein Nebelabenteuer in dieser Traumstadt, all meine Erinnerungen habe ich in den Bildern wiederentdeckt. Das war sehr schön, vielen Dank…. wieder einmal.
Liebe Gertrud,
das freut mich, dass ich dir ein schönes Erinnerungserlebnis bescheren konnte. Am letzten Tag der Reise früh morgens habe ich zum ersten Mal Venedig im Nebel erlebt. Ich war auch überwältigt von diesem Naturschauspiel, besonders als die Laternen noch angeschaltet waren. Die Farben mit dem Nebelschleier verhüllt. Grandios.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
es ist kaum zu glauben, dass es sich um die gleiche Stadt handelt, die ich von deinen letzen Venedig Reisen in Erinnerung habe.
Wer nimmt es schon freiwillig auf sich, morgens in aller Frühe Fotos von einer Stadt zu machen? Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Diese neue und andere Seite von Venedig ist sogar den meisten Venedigkennern unbekannt. Herzlichen Dank für diese neue Perspektive, die du wieder einmal leidenschaftlich eingefangen und uns mit passendem Text präsentiert hast.
Liebe Grüße
Angelika
Liebe Angelika,
danke für deine freundliche Rückmeldung!
Für mich war Nebel in Venedig eine neue Erfahrung, die ich nicht missen wollte. Die verschwommenen, schemenhaften Gebäude, die unscharfen Silhouetten der wenigen Menschen, die um diese Uhrzeit unterwegs sind. Das war ein Fest für die Sinne!
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
sehr schöne Fotos!
Ich mag die unscharfen Gondeln am liebsten!
Liebe Grüße
Tom
Lieber Tom,
danke für Ihre Rückmeldung.
Ich kann Ihre Vorliebe nachvollziehen. Gondeln sind der Inbegriff Venedigs. Langzeitbelichtung mit Unschärfe und Nebel ist der Hit. Mein Favorit unter den Gondelfotos ist das mit den leuchtenden Bugeisen. Das strahlt eine besondere Stimmung aus.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
eine neue, ganz andere Perspektive auf Venedig!
Steht der Nebel in Büchern und Filmen doch oft in Assoziation mit tristen, traurigen und düsteren Ereignissen, so strahlen Deine Bilder eine große Ruhe, die schon meditativ wirkt, aus. Großartig!
Beste Grüße
Daniel
Lieber Daniel,
danke für deine Rückmeldung. Genau so habe ich es auch empfunden. Ein wunderbares Erlebnis!
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
ich bin begeistert von deinen Nebelbildern. Der Nebel gibt den bekannten Plätzen noch einmal eine andere Atmosphäre. Und es rückt auch die Dinge zu Recht, denn von November bis März gibt es sehr viel Nebel in der Lagunen Metropole. Die Hochglanzmotive, die sich immer alle erwarten, sind eher die Ausnahme. Nebel und Aqua Alta sind für die Venezianer Alltag. Also sind deine Nebelbilder auch ein Stück dokumentarisch – von der Bildkomposition und der Lichtstimmung allerdings nicht, da sind sie Weltklasse. Lg Bernhard
Lieber Bernhard,
vielen Dank für deine differenzierte Rückmeldung und die Einordnung der Bilder in die Jahreszeit. Sehr gerne nehme ich dein Kompliment zu meinen Fotos an, bist du doch eigentlich der Meister der Bildkomposition und Lichtstimmung!
Liebe Grüße
Barbara
Du meine Güte! Mir fallen überhaupt keine Worte ein, mit denen ich mich zu deinen Bildern äußern könnte. Glaublich, einfach unglaubliche Fotos!
Lieber Wolfgang,
der Nebel macht’s! Das ist eine unwirkliche, schemenhafte Atmosphäre, die ich sehr beeindruckend fand. Bin sehr froh, dass der Nebel uns am letzten Morgen beschert wurde. Mittags war dann strahlender Sonnenschein.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
du hast sowohl mit den Bildern zur blauen Stunde als auch mit den Nebelbildern die jeweilige besondere Atmosphäre total gut eingefangen.
Es ist ein vollkommen anderes Bild von Venedig als das im Sommer bei heiterem Wetter und einer von Touristen überlaufenen Stadt. Venedig im Nebel und bei winterlicher Nässe wirkt nicht nur triste, sondern wahrscheinlich auch durch die Gebäude durchaus bedrohlich. Die Fotos könnten wirklich auch aus dem Film „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ stammen.
Total gut gelungen!
Liebe Grüße Rainer
Lieber Rainer,
herzlichen Dank für deine prompte Rückmeldung!
Diese „Nebelerfahrung“ war für mich ein besonderes Erlebnis. Ich bin froh, dass ich die Stimmung erleben und in Bildern festhalten konnte.
Liebe Grüße
Barbara