Der 250. Geburtstag Caspar David Friedrichs wird dieses Jahr als Ausstellungsfestival in Hamburg, Berlin, Dresden und Greifswald jeweils unter einem anderen Aspekt gefeiert.
Die Ausstellungen finden etwas zeitversetzt statt und Greifswald, die Geburtsstadt Friedrichs, zeigt zwei Ausstellungen und bietet ein ganzjähriges Veranstaltungsprogramm aus allen künstlerischen Genres.
Die Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle trägt den Titel : Caspar David Friedrich – Kunst für eine neue Zeit
Der Fokus liegt auf dem Mensch-Natur – Verhältnis, das sich in der Zeit um 1800 neu formt.
Friedrich präsentiert einerseits Natur, ganz präzise gemalt mit all ihren atmosphärischen Effekten, andererseits sind diese Landschaften ausgesprochen komponiert.
Man erkennt in Friedrichs Gemälden die Natur und das gestaltete Bild.
Friedrich liebte das geheimnisvolle Zwielicht, malte immer wieder Wolken, Nacht oder Dämmerung.
Fast alle seine Gemälde eint eine melancholische Düsterkeit. Er komponierte Bilder, wie man sie nie zuvor gesehen hatte – mit mystischen Naturdarstellungen, die zu Ikonen einer ganzen Epoche wurden. Der stille Mann aus Vorpommern war erfolgreich, solange die deutsche Romantik blühte. Seine Bilder verkörpern die Sehnsucht eines vom Schicksal gezeichneten Menschen nach der heilen Welt. (nach Britta Probol, NDR)
Die zweite Ebene dieser Ausstellung (im 2. und im 3. Stock) zeigt zeitgenössische künstlerische Arbeiten, die auf ein verändertes Naturbewusstsein heute aufmerksam machen und dabei Friedrichs Werk rezipieren.
Ich zeige euch eine kleine Auswahl von Friedrichs Gemälden und stelle euch ergänzend oder kontrastierend einige zeitgenössische Werke zum jeweiligen Motiv vor.
Friedrichs Atelier in Dresden
Ohne Frage: dies ist ein sehr spärlich möbliertes Atelier und blitzsauer außerdem!
Ein Tisch, ein Stuhl, eine Staffelei. Nur an der Wand hängen zwei weitere Paletten, eine Reißschiene, ein Lineal und ein Zeichendreieck.
Denn auch die Bildwirkung eines romantischen Sehnsuchtsbildes basiert auf Perfektionismus und Millimetergenauigkeit.
(Illies, Zauber der Stille, S.194 und Wanderer, siehe unten)
Ein Fenster ist mit Holzläden völlig abgedunkelt, beim anderen sind nur die oberen zwei Drittel geöffnet, sodass lediglich ein Stück Himmel zu sehen ist.
Friedrich sitzt vor der Staffelei und malt, wobei er den Arm auf einen Malstock gestützt hat.
Man kann erkennen, dass er an einer Gebirgslandschaft mit Wasserfall arbeitet.
Caspar David Friedrich suchte Abgeschiedenheit, damit er ungestört seiner Arbeit nachgehen konnte.
Kersting zeigt das Malen als einen Prozess der Kontemplation und Reflexion.
Friedrichs Zeichnungen
Das Wandern war für Friedrich eine besondere Art der Naturerfahrung, die er sehr regelmäßig suchte.
Friedrich nutzte seine ausgedehnten Wanderungen aber auch immer zum Zeichnen.
In Greifswald und an der Königlichen Akademie in Kopenhagen hatte er das Zeichnen gelernt.
Er zeichnete ganze Landschaften, aber auch detailreich Bäume, Blätter, Steine, Äste und Blumen in seine Skizzenbücher.
Aus dieser Sammlung von Naturmotiven schöpfte er später Bilddetails, die er in seinem Atelier in Dresden zu seinen eindrucksvollen Landschaftsgemälden komponierte.
Ikonen der Romantik
Die Kunstepoche der Romantik wurde nicht durch einen einheitlichen künstlerischen Stil geprägt, sondern ist eine gemeinsame Weltanschauung. Als Reaktion auf das Zeitalter der Aufklärung und den zunehmenden Rationalismus stellten die Künstler der Romantik das Unergründliche und Mystische sowie die Gefühlswelt des Menschen in den Mittelpunkt.
Friedrichs Bildsprache ist religiös und spirituell zugleich. Er traf damit den Nerv der Zeit. Als Reaktion auf den Rationalismus des 18. Jahrhunderts war damals die Vorstellung, Gott sei in allen Dingen, ebenso in Mode wie die Naturschwärmerei und die Beschäftigung mit dem Übersinnlichen.
Friedrichs Mal-Rezept entsprach genau dieser Strömung:
Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es nachwirke auf andere von außen nach innen.
Caspar David Friedrich
Der Wanderer über dem Nebelmeer – Technik und Komposition
Nach seinem Studium an der Königlichen Akademie Kopenhagen siedelt er 1798 nach Dresden über.
Von dort aus besuchte er die nähere und weitere Umgebung: das Riesengebirge, den Harz und Nordböhmen und vor allem seine Heimatstadt Greifswald, von wo aus er oft die Insel Rügen bereiste. Im heutigen Vorpommern weilte er manchmal mehrere Monate und begab sich auf ausgedehnte Wanderungen in das Greifswalder Umland.
Der Raum ist ein wichtiger Aspekt dieser Komposition. Friedrich hat eine weitläufige Landschaft dargestellt, die durch das Hervorheben, Kontrastieren und Zusammenlaufen von Farben, Texturen und verschiedenen Linien und Formen entsteht. All dies erzeugt die Illusion eines dreidimensionalen Landschaftsraums oder einer Tiefe, die wir vor uns sehen.
Zum Raum als Kunstelement gehören auch der positive und der negative Raum. Der positive Raum wird durch das Motiv der Komposition geschaffen, hier also durch die Figur und die Felsen im Vordergrund. Der Negativraum umfasst den Raum um das Hauptmotiv herum, also den Nebel und die Wolken.
Der Wanderer über dem Nebelmeer (1818)
Der Wanderer steht ganz genau auf der senkrechten Mittelachse.
(aus: https://wanderer.cdfriedrich.de/)
Die Vertikalen des Goldenen Schnitts fassen ihn von links und rechts ein.
Die Horizontalen des Goldenen Schnitts verbinden Bergketten und Kopf – nach damaligem Verständnis stehen sie für Natur und Vernunft. Nur der Kopf ist in der oberen, himmlischen Sphäre des Bildes.
Die Bergketten laufen in der Figur zusammen.
Es geht Friedrich in seiner Malerei nie um den konkreten Ort, sondern die konkrete Darstellung einer ihm vertrauten Landschaft, eines Waldes, eines Hafens oder Gebirges in seiner subjektiven Wahrnehmung.
Die Technik der Rückenansicht
Als wohl bekanntestes und daher oft zitiertes Beispiel der malerischen Rückenansicht gilt Caspar David Friedrichs Der Wanderer über dem Nebelmeer.
Ein Künstler zeigt eine Figur mit dem Rücken zum Betrachter, der einfach nur da steht, schaut und die Landschaft auf sich wirken lässt.
Es ist ein Stilmittel , die eigenen Gedanken und Gefühle bei der Naturbetrachtung mittels dem dorthin gewendeten Blick zu verdeutlichen, den Betrachter daran teilhaben zu lassen und mit ihm in die Ferne zu sehen und die Umgebung intensiver wahrzunehmen.
Wir können uns in die Rückenfigur hineinversetzen, in Fotos selbst ihren Platz einnehmen – und später beim Anschauen der Fotos daran erinnern, wie wir an diesem Ort standen. Er schafft eine Möglichkeit der Identifikation mit der Figur. Zum Innehalten, zu sich finden, zur Kontemplation und Meditation.
In der Romantik war die Rückenansicht ein beliebtes Stilmittel.
Künstler wie Caspar David Friedrich und William Turner setzten sie gezielt ein, um die Schönheit der Natur in den Vordergrund zu rücken.
Kehinde Wiley – The Prelude
Der amerikanische Künstler Kehinde Wiley setzt sich kritisch mit dem Kanon der Kunstgeschichte auseinander, der vornehmlich Weiß geprägt ist. Er wirft einen postkolonialen Blick auf Friedrich.
Das Bild kann nicht-weiße, nicht-männliche Identitäten und alle diejenigen ausschließen, die nicht so einfach auf einen Berg steigen können.
Wiley greift diese Problematik auf: Er übernimmt Friedrichs Bild fast exakt – allerdings ersetzt er die bürgerlichen Figuren durch schwarze Personen in heutiger Kleidung, die er durch street castings gewonnen hat und deren Namen auch genannt werden.
Er verschafft ihnen dadurch einen kraftvollen Auftritt, der durch die monumentale Größe unterstrichen wird.
The new work is about what it feels like to be young, Black and alive in the 21st century.
Kehinde Wiley in an interview with Kadish Morris
The Observer, 21 November 2021
Wileys Bilderserie Prelude erhielt ihren Namen von dem Gedicht Prelude des englischen romantischen Dichters William Wordsworth (1770 – 1850).
Ziel des Gedichts ist es, Wordsworths Eignung zu demonstrieren, großartige Poesie zu produzieren, und das Prelude selbst wird zum Beweis dieser Eignung. Es zeichnet das Wachstum des Geistes des Dichters nach, indem es das gegenseitige Bewusstsein und die spirituelle Gemeinschaft zwischen der Welt der Natur und des Menschen betont.
Das Prelude war das Produkt seines Lebens. Er begann 1798 und arbeitete bis zu seinem Tod daran.
Klosterruine Obyn (1812)/Huttens Grab (1823/24)
Im Sommer 1810 unternahm Caspar David Friedrich mit seinem Künstlerfreund Georg Friedrich Kersting eine Wanderung in das Riesengebirge. Auf dem Weg dorthin bestiegen die beiden am 4. Juli in der Oberlausitz den südwestlich von Zittau gelegenen, in eine malerische Landschaft eingebetteten Berg Oybin. Auf dessen Gipfelplateau stießen sie nicht nur auf eine Burgruine und einen Friedhof, sondern auch auf die baulichen Überreste eines Cölestinerklosters. Der ruinöse Sakralbau zog Friedrich sofort in seinen Bann. Noch an Ort und Stelle entstand eine aquarellierte Bleistiftzeichnung, die den Blick in die Sakristeikapelle der Klosterkirche zeigt.
Fasziniert von dem Motiv und seiner bildhaften Wirkung, widmete der Künstler diesem schließlich ein Gemälde.
Friedrich modifizierte das Gemälde durch vertikale Überhöhung des Baukörpers, wie es in der sehr schlanken Erscheinung der Öffnungen der drei gotischen Maßwerkfenster zu erkennen ist. Und er ergänzte die Kapelle durch ein Kruzifix am Gemäuer (links), einen Altartisch(Mitte) , und einer gotischen Skulptur einer stehenden Madonna mit Kind(rechts), um den christlich-religiösen Ort zu betonen.
Der Himmel mit seinen nuancenreichen, von kalten zu warmen Tönen übergehenden Farbabstufungen erzeugt die besonderen Stimmung, die von dem Bild ausgeht. Mit dem warmen Orangeton im unteren Bereich der Fenster assoziieren wir die auf- oder untergehende Sonne, die sich jedoch unserem Blick entzieht.
Gut zehn Jahre nach seiner ersten Beschäftigung mit den Ruinen auf dem Obyn hat Friedrich nochmals ein Bild gemalt, das die Ostpartie der gotischen Sakristei zum Ausgangspunkt nimmt. Im Zentrum steht allerdings ein mächtiges steinernes Grabmal, auf dessen Stirnseite wir blicken.
Vor dem steinernen Grabmal steht ein Mann in altdeutscher Tracht, der den Deckelaufsatz des Sarkophags in Augenschein nimmt. Er regt die Betrachterinnen und Betrachter vor dem Bild dazu an, ebenfalls näher an das im Bild dargestellte Monument heranzutreten.
In der Nahsicht wird auf dem Sockel des Harnischs der Schriftzug Hutten lesbar; zudem ließen sich früher – laut verlässlichen Quellen – auf der Stirnseite des Sarkophags weitere Namen entziffern: Jahn 1813, Arndt 1813, Stein 1813, Görres 1821, D … 1821 und F. Scharnhorst. Auf diese Weise werden Protagonisten der Befreiungskriege mit dem Humanisten Ulrich von Hutten in Verbindung gebracht, der um 1800 als Freiheitskämpfer, Patriot und früher Sympathisant der Reformation galt, aber nach seinem Tod 1523 nicht mit einem Grabmal gewürdigt worden war. (nach cdfriedrich.de)
Friedrichs Gemälde ist oft als politische Positionierung in den Jahren der Restauration verstanden worden, als entweder kämpferisch-trotziges Bekenntnis zu nationalen und demokratischen Ideen oder zumindest als resignativer Rückblick auf Hoffnungen der Jahre ab 1813, die sich als trügerisch erwiesen haben.
Mönch am Meer
Mönch am Meer erlangte durch die ungewöhnliche Abstraktion und radikale Reduktion seines Gegenstandes ein vielfältiges Echo, das zum frühen Ruhm Friedrichs beitrug.
In klarer Einfachheit ist das Bild horizontal in die drei Elemente Land, Meer und Himmel gegliedert.
Bloßen Hauptes geht ein Mönch am Ufer entlang, Möwen umflattern ihn. Neben ihm sind sie die einzigen Lebewesen.
Vor dem Einsamen liegt in bleierner Schwärze das unermesslich weite Meer, es gibt keine Begrenzung, keinen Halt. Die grauen Wolkenschleier über dem Wasser geben erst weiter oben überraschend den Blick ins helle Himmelsblau frei.
Man muss vor dem Gemälde stehen, um die Farbnuancen zu erfassen und die unendliche Weite zu spüren. Friedrich nennt sie Jenseits. Wer schon am Meer in verschiedenen Wettersituationen stand, kennt seine überwältigenden Stimmungen.
Es ist nemlich ein Seestük, Vorne ein öder sandiger Strand, dann, das bewegte Meer, und so die Luft. Am Strandte geht Tiefsinnig ein Mann, in schwarzem Gewande; Möfen fliegen ängstlich schreient um ihn her, als wollten sie ihm warnen, sich nicht auf ungestümmen Meer zu wagen.
Und sännest du auch vom Morgen bis zum Abend, vom Abend bis zur sinkenden Mitternacht; dennoch würdest du nicht ersinnen, nicht ergründen, das unerforschliche Jenseits!
Caspar David Friedrich (nach cdfriedrich.de)
Abendstimmungen- Der Mond ist aufgegangen
Caspar David Friedrich malte gerne Abendstimmungen, besonders die Zeit, wenn der Mond aufging. Diese Lichtstimmung hielt er auf vielen seiner Bilder fest.
Ich habe vier ausgesucht, die mich besonders angesprochen haben. Zwei präsentieren wieder Betrachter, die uns in das Bild hineinziehen und das, was sie sehen auch sehen lassen.
Der Mond, zentrales Motiv romantischer Sehnsucht, bildet das Zentrum des Bildes, um den Friedrich die anderen Bildelemente in kreisender Bewegung gruppiert. Sie steigt mit dem kahlen knorrigen Baum nach rechts hin an. Unter ihr haben sich zwei Männer eingefunden, die einander zugeneigt gemeinsam das Naturschauspiel beobachten, der eine legt vertrauensvoll den Arm auf die Schulter des anderen.
Nach zeitgenössischer Überlieferung sind es der Maler selbst und sein Schüler August Heinrich (1794–1822).
Das Bild steht in der Tradition romantischer Künstlerfreundschaft, die insbesondere auch in der Literatur der Zeit gefeiert wurde. Gemeinsam sind die beiden auf dem steinigen Pfad gewandert und halten inne.
Die Nacht als Gegenentwurf zur Geschäftigkeit des Lebens während des Tages bietet die Ruhe, um die gefühlte Unendlichkeit der Entfernung zum Mond zu durchmessen, die im Gegenzug ins Innerste des Betrachters führt. (zit. nach cdfriedrich.de)
Die beiden Männer sind in altdeutscher Tracht gekleidet, mit der die Studenten der Zeit ihren Widerstand gegen die restaurativen Strömungen der herrschenden Regierungen zum Ausdruck brachten. Friedrich bezieht damit politisch Stellung.
Auf der dunklen Wasserfläche leuchten silbrige Reflexe des nächtlichen Gestirns. Die Scheibe des Vollmondes ist hinter den Wolkenbänken über dem Horizont halb verborgen, wie aus einem Wolkentor bricht sein Licht hervor.
Zwei Frauen und ein Mann haben sich auf Felsblöcken am Ufer niedergelassen und schauen zum Mond und über das Meer, in die grenzenlos scheinende Ferne, hin zu den beiden Segelschiffen.
Ihre dunklen Silhouetten rhythmisieren die Lichtflächen von Meer und Himmel.
In der Weite von Himmel und Horizont wird die Unermesslichkeit des Universums spürbar.
Dunkle, regenschwere Wolken treiben langsam nach links. Zwischen ihnen scheint der Mond hindurch.
Hell wird sein Licht vom Wasser reflektiert. Zwei Fischerboote mit tiefdunklen Segeln nahen.
Dies ist Friedrichs letztes Gemälde. Er entschied sich für ein selten gewähltes großes Format, um Weite und Grenzenlosigkeit anschaulich zu machen.
Er beschränkt die Gliederungselemente der Komposition auf die Waagerechte des Horizonts und die beiden senkrechten Zeichen der Segelschiffe, baut das Bild in völliger Symmetrie auf und reduziert die Farbskala auf Blau, Grün und Braun.
Fast auf Höhe des Wasserspiegels legte Friedrich die Perspektive des Nachtstückes. Ein rotvioletter, warmer Ton verbindet die Schwäne mit dem Schilfgras und dem Himmel, an dem Mondsichel und Abendstern leuchten. Eine Innigkeit scheint auf, die den Betrachter zu einem Voyeur macht.
Die Perspektive legt nahe, man müsse sich an das Paar heranpirschen, um zu erspähen, was da vor sich geht, überwölbt vom Schilf, ohne Ausblick, Horizont und festen Grund, wie es im Katalogtext des Romantik-Museums von Frankfurt ( normalerweise die Heimat der Schwäne) heißt. Die zarte Eleganz der Tiere und deren anmutige Bewegungen bleiben rätselhaft.
Tilmann Allert wird die Rätsel in seinem Buch Caspar David Friedrich: Schwäne im Schilf: Ein Bild und seine Geschichte sicher lösen. Das Buch erscheint im April 2024.
Mit der Romantik erscheinen Schwäne, die sich einander zuwenden, als Chiffren für Liebespaare.
Paarig angeordnete Vögel mit langen Hälsen haben eine lange Tradition in der Volkskunst, entsprachen besonders aber dem Zeitgeschmack um 1800.
Erst die massenhafte elektronische Verbreitung von Digitalfotos machte das Motiv Swans kissing and forming a heart wirklich populär. Eine keramische Umsetzung lieferte z. B. die englische Porzellanmanufaktur Royal Doulton (2002/03): Endless love. Diese Form von Kitsch mündet in Prinzessinnen- und Hochzeitsblütenträume, als Dekoration von Hochzeitstorten oder in Prinzessin-Lillifee-Heften.
Das Motiv der Schwäne in der Street Art
Der Stil von Jimmy C (James Cochran) ist von einer Kombination aus Pointillismus und der Kultur der Ureinwohner seiner Heimat Australien beeinflusst.
Er begann in den frühen 1990er Jahren als Teil der damals wachsenden australischen Underground-Graffiti-Bewegung auf der Straße zu malen und hat seitdem seinen ausgeprägten Aerosol-Pointillismus -Stil verfeinert.
In Southwark präsentiert Jimmy C. eine harmonische, friedliche Szene, in der sich zwei Schwäne treffen, ihre Schnäbel und Hälse ein Herz formend, während sie auf dem Wasser gleiten.
Begleitet von einer Reihe zerstäubter Kugeln, die diesem eindrucksvollen Werk Tiefe und Energie verleihen.
Es trägt den treffenden Titel Union und ist das erste von drei Werken von Jimmy C in seiner Bird Series.
Das Eismeer
Im Winter 1820/21 wurde Friedrich Zeuge des Eisgangs auf der Elbe. Fasziniert von dem seltenen Naturschauspiel fertigte er vor Ort drei Ölskizzen mit Eisschollen an. Auf diese griff er zurück, als er wenige Jahre später sein berühmtes Gemälde Das Eismeer schuf, steigerte die Größenverhältnisse ins Monumentale.
Gewaltige Eisschollen türmen sich im Zentrum dieser Polarlandschaft zu einem Berg auf.
Ein Schiff, das rechts unter die Schollen geschoben und begraben wird, kündet von den Gefahren einer derartigen Expedition in menschenfeindliche Regionen. Über einen pfeilförmigen Eisbrocken sowie eine emporragende spitze Eisscholle im Vordergrund wird die Aufmerksamkeit des Betrachters zusätzlich auf das Schiff gelenkt.
Die Naturgewalt Eis und die Hybris des Menschen, die Natur zu besiegen, treffen dramatisch aufeinander. Mich hat das Bild sofort an den Untergang der Titanic erinnert. Auf seiner Jungfernfahrt kollidierte das angeblich unsinkbare Passagierschiff in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 im Nordatlantik mit einem Eisberg. Aufgrund der dabei entstandenen Schäden versank die Titanic zwei Stunden und vierzig Minuten später. 1514 Menschen starben.
In seinem Werkkomplex widmet sich Hiroyuki Masuyama (geb. 1968 in Tsukuba, Japan) den Bildern von Caspar David Friedrich und William Turner. Die Serie ist eine Hommage an die beiden Künstler, die lange vor ihm die Landschaftsmalerei revolutionierten.
Masuyama sucht Orte auf, die den von Friedrich und Turner gemalten Landschaften ähneln, fotografiert sie und setzt am Computer aus vielen hundert Fotos bekannte Gemälde der romantischen Meister zusammen. Besonderen Wert legt er darauf, die malerische Atmosphäre der Bilder auch in den Fotografien einzufangen.
Monica Bonvicini – She Lies (2010)
Ich war im Dezember 2021 in Oslo zum Besuch des neueröffneten Munch Museums. Es gab Schnee und Minusgrade und die Skulptur der treibenden Eisschollen wirkte dadurch besonders sinnfällig.
Ich kannte Friedrichs Gemälde, habe es aber erst jetzt im Original gesehen.
Die permanente Installation She Lies wurde am 11. Mai 2010 öffentlich eingeweiht und wird in Norwegen bereits als nationales Wahrzeichen bezeichnet.
She Lies liegt im nördlichsten Teil des Oslofjords vor dem Sitz der Norwegischen National Oper & Ballett.
Die monumentale Skulptur (12 × 17 × 16 m) ist im Fjord verankert und treibt aufgrund der Winde und Gezeitenströmung in einem Radius von 50 m und sich um die eigene Achse drehend im Wasser.
So ist die Sicht auf die Installation ebenfalls vollkommen in Abhängigkeit zu den natürlichen Gegebenheiten des Standortes.
She Lies nimmt gestalterisch Bezug auf Caspar David Friedrichs Das Eismeer (1824) und lässt die Eismassen direkt vor die Tore Oslos treiben. Dies versteht die Künstlerin als Kommentar zur heute umso aktuelleren Debatte um den Klimawandel.
Kreidefelsen auf Rügen
Für Friedrichs Nachdenken über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist das Gemälde Kreidefelsen auf Rügen besonders aufschlussreich.
Friedrich stellt gezielt unterschiedliche Zugänge des Menschen zur Natur nebeneinander.
Er hält den Moment fest, wo die Frau und der ungelenk kniende Mann nur Augen für den Abgrund haben, während der rechts stehende Mann seinen Blick gelassen auf die Weite des Meeres richtet.
Der Betrachter des Bildes kann ebenso dem Tiefensog oder dem Weitblick folgen. Und vielleicht dazwischen auch über die Kreidefelsen mit ihren Zacken staunen. Ich würde mich lange mit dem Farbverlauf des Meeres aufhalten.
Die Personen auf dem Gemälde werden links und rechts von Bäumen und den Felsen eingerahmt.
Das erzeugt auch die Tiefe bis zum Meer und seine Weite, unterstrichen durch zwei kleine Boote auf der vertikalen Achse.
Kehinde Wiley – The Prelude
Wileys zweite Version von Friedrich überarbeitet die Kreidefelsen des Künstlers aus dem Jahr 1818 auf Rügen.
Friedrichs Personen werden durch zwei junge Männer aus Ländern südlich der Sahara versetzt in eine norddeutsche Landschaft.
Vor der Kulisse von Friedrichs steiler Kreidespalte am Südufer der Ostsee spielen sie ein Klatschspiel.
Sie stehen im Profil zum Kreidefelsen und zum Betrachter. Dabei schaut die Person links die Person rechts direkt an.
Die Person rechts schaut direkt den Betrachter an. Keiner schaut auf die spektakuläre Landschaft.
Das monumentale Bild ist verblüffend, wenn ich auch finde, dass Friedrichs Intention, die Natur zu bestaunen und zu genießen, verfehlt ist. Die beiden jungen Männer könnten vor jeder x-beliebigen Kulisse stehen.
Die Landschaft scheint sie nicht zu interessieren. Ob das Wileys Absicht war?
“There’s something glorious about the portraits that you see of aristocrats and royal families. Something beautiful in those expansive imperialist landscapes.” But there’s a dead end. Such paintings, from the baroque, rococo, renaissance and Dutch golden age eras, are ultimately displays of European power, wealth, and beauty. “What I wanted to do was to take the good parts, the parts that I love, and fertilise them with things that I know to be beautiful – people who happen to look like me.”
from an interview with Kehinde Wiley by Kadish Morris
The Observer, 21 November 2021
Was fasziniert mich an Friedrichs Bildern?
Als Fotografin bin ich vor allem begeistert, wie Friedrich Stimmungen durch Lichtsetzungen und Farbe erzeugt.
Durch subtile Schattierungen und Variationen im Farbton kann er verschiedene Stimmungen und Tageszeiten darstellen.
Beim Betrachten seiner Landschaftsbilder fällt auf, dass der Himmel oftmals über die Hälfte der Bildfläche einnimmt, eine Technik, die das Gefühl von Weite und Unendlichkeit erzeugt.
Seine Darstellung von Wolken und Himmel ist besonders überzeugend (z.B. bei Mönch am Meer oder Meeresufer im Mondschein). Man glaubt Friedrich, wie überwältigt er von der ausschweifenden Natur ist, demütig und dankbar zugleich. Die Bilder strahlen Ruhe und Zeitlosigkeit aus.
Dank der Präzision seiner Zeichen-und Malkunst im Hintergrund werden seine Visionen Wirklichkeit.
Auffällig ist, dass Friedrich als Personen nur Männer und Frauen auf seinen Bildern festhält, häufig in einem kontemplativen Gestus, niemals Kinder. Seltsam.
Vielleicht weil Kinder nicht ergriffen und still die Natur auf sich wirken lassen?
Liebe Barbara,
bislang hast Du uns stets an Orte mitgenommen, die Dich faszinierten. Daran hast Du uns mit deinen eindrucksvollen Bildern und informativen Texten teilhaben lassen.
Dieses Mal nimmst du uns mit auf einen Ausflug in die Kunstgeschichte.
Ich denke, jeder kennt Caspar David Friedrich und seine Hauptwerke, wie den Kreidefelsen und den Mönch am Meer. Aber deine kurzweilige und detailreiche Darstellung der Ausstellung erlaubt einen Blick hinter die Kulissen und erklärt auf nachvollziehbare Weise den Zusammenhang zwischen Architektur, Inhalt und Farbgebung der Bilder Caspar David Friedrichs.
Vielen Dank für diese höchst interessante Exkursion in die Malerei des 19. Jhd. und den interessanten Querbezügen in die heutige Zeit.
Angelika
Liebe Angelika,
herzlichen Dank für deine differenzierte Rückmeldung.
Die Bilder Friedrichs haben mich so fasziniert, dass ich unbedingt einen Beitrag dazu machen musste.
Und die Zeitbezüge, die die Ausstellung herstellt, haben mich inspiriert, meine Kenntnisse von modernen Friedrichbildern ( She Lies in Oslo) bzw. Themen, die er gemalt hat ( Union von Jimmy C.) und wie sie umgesetzt wurden, einzubeziehen. Die monumentalen Bilder von Kehinde Wiley fand ich auch sehr beeindruckend und sein Anliegen durchaus bedenkenswert.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
die Ausstellung ist nun seit knapp zwei Wochen beendet, kaum eine war in den letzten Jahren mit so viel Vorschusslorbeeren und medialer Aufmerksamkeit bedacht worden wie diese. Das, so finde ich, ist durchaus berechtigt. Der Zustrom von Besucher*innen war so groß, dass in den letzten Wochen nur die Möglichkeit eines virtuellen Rundgangs bestand, es gab keine Zeitfenster mehr. Ich habe die Ausstellung sehr gut gefunden. Ein besonderer Abschluss waren für mich (überraschenderweise) die Bilder des amerikanischen Künstlers Wiley, die einen neuen oder anderen Blick erlaubten, und das hast du ganz wunderbar beschrieben. Ich habe mir deinen Bericht jetzt schon mehrfach angeschaut und die Chance genutzt, alles in Ruhe zu betrachten, die Ausstellung wieder Revue passieren zu lassen, deinen Text dazu zu lesen, neue Aspekte zu entdecken, zu reflektieren und das war/ist so ganz ausgezeichnet. Denn, ehrlich, mir war es vor Ort manchmal zu wuselig. Bei deinen Fotos ist nichts davon zu merken, sie strahlen die Ruhe aus, die ich mir in der Kunsthalle gewünscht hätte und ich kann ganz nahe „rangehen“. Für mich ist dein Beitrag eine sehr gelungene Ergänzung. Vielen Dank dafür, wieder einmal und immer wieder gerne!
Liebe Gertrud,
danke für deine differenzierte Rückmeldung, die mir so besonders wichtig ist, weil du dir die Ausstellung angesehen hast. Und die Wiley – Bilder waren so überraschend für mich aufgrund der Monumentalität und dem harten Kontrast, in dem sie zu den sie umgebenden klassischen Meistern in diesem Saal stehen. Ich finde die Absicht und Idee, die Wiley verfolgt, bedenkenswert und berechtigt. Und beim „Wanderer“ hat er sie auch sehr sinnfällig umgesetzt.
Für mich war mein Beitrag eine Nachbereitung der Ausstellung in geruhsamem Tempo und ich konnte mir für jedes Bild so viel Zeit lassen, wie ich wollte. Friedrichs Seebilder, Himmel und Wolken sind einfach perfekt!
Herzliche Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
Dein Beitrag war für mich ein erneuter Gang durch die Ausstellung.
Du fängst die Stimmung gut ein und lieferst interessante Hintergrundinformationen.
Die Adaptionen von Wiley haben mir sehr gut gefallen, schön, dass sie im Beitrag auch prominent vertreten sind.
Beste Grüße
Daniel
Lieber Daniel,
danke für deine Rückmeldung!
Mich hat die Ausstellung begeistert und ich bin sehr froh, dass ich daraus ein paar Tage Hamburg gemacht habe. Eine gute Entscheidung!
Die beiden monumentalen Wiley Gemälde wirkten noch größer in der Mitte des Raumes und sehr kontrastiv (was sie ja vom Thema her schon sind) zu den klassischen Gemälden rundherum.
Ich finde Wileys Anliegen durchaus berechtigt und kann es nachvollziehen. Bleibe aber bei meiner Kritik an den Personen auf seinen Kreidefelsen. Es würde mich sehr interessieren, was Wiley sich bei dem Gemälde so gedacht hat.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
da hast du dir viel Mühe gemacht, das Werk von CDF zu interpretieren und Vergleiche mit zeitgenössischen Künstlern herzustellen. Sehr interessant.
Ich kannte bis dato von CDF im Grunde nur die „Kreidefelsen auf Rügen“ ,wahrscheinlich sein populärstes Werk. Beim Anblick des knieenden Mannes muss ich immer denken, dass er vielleicht Höhenangst hat? Dein Bericht über CDF ist sehr informativ und ich glaube, dass die von den Künstlern der Romantik dargestellte Natur, z.B. auch das mystische Verhältnis von uns Deutschen zum Wald bis heute sehr typisch ist..
Liebe Grüße Rainer
Lieber Rainer,
danke für deine Rückmeldung!
der Vergleich mit zeitgenössischen Gemälden ist besonders interessant, weil er wie am Beispiel von Kehinde Wileys Bildern neue, bedenkenswerte Perspektiven aufzeigt. Mir gefallen dann aber die Originale aus der Zeit besser. Das geht mir bei Schallplatten meistens auch so, dass ich das Original besser finde als den remix.
Was deine Bemerkung zum mystischen Verhältnis der Deutschen zum Wald betrifft, kann ich nichts sagen. Ich habe das nicht und kenne auch niemanden, der das teilen würde. Ich denke, dass Friedrich auch hauptsächlich eine innige Beziehung zum Meer hat. Die kann ich gut nachvollziehen und mit ihm teilen.
Liebe Grüße
Barbara
Toll, was Du da zusammengestellt hast. Danke für die Info.
Liebe Grüße
Bernd
Lieber Bernd,
danke für deine Rückmeldung.
Die Ausstellung hat mich begeistert. Du kannst sicher nachvollziehen, warum die Farben und Stimmungen mich sehr beeindruckt haben.
Ich wollte andere daran teilhaben lassen. Das bedeutet Recherche, Struktur und Beschränkung. Und da habe ich die Bilder ausgewählt, die mich am meisten inspirieren.
Liebe Grüße Barbara
Wunderbar. Alle Bewunderer Friedrichs werden sich an Deiner Serie laben. Und die wenigen, die CDF bisher nur im Vorbeigehen gesehen haben, werden zu neuen Bewunderern werden.
DANKE erneut . Wie immer freuen wir uns schon auf Deine nächste Serie, liebe Barbara.
Und schon jetzt: Frohe Ostern!
Deine Reini&Raimund Bardua
Liebe Reini, lieber Raimund,
danke für eure freundliche Rückmeldung!
Ich war begeistert von der Ausstellung, besonders von den Meeresbildern. Diese Farbnuancen, diese Weite. Wunderbar.
Es war auch interessant, moderne Bilder, die sich an Friedrichs Sujets versuchen, gegenüber zu stellen. Die beiden monumentalen Bilder von Kehinde Wiley sind sehr beeindruckend. Und das Eismeer von Monica Bonvicini im Oslo-Fjord macht mit dem Original zusammen noch mehr Sinn.
Frohe Osterfeiertage!
Barbara
Liebe Barbara,
herzlichen Dank für die exzellente Führung durch die CDFAusstellung in Hamburg, eine sehr gute Ergänzung für mich , da ich gerade Zauber der Stille als Hörbuch gehört habe.
Ein richtiges Osterei.
Liebe Grüße und geruhsame Feiertage,
Christa
Liebe Christa,
danke für deine prompte Rückmeldung.
Mich hat die Ausstellung begeistert, wobei ich kein besonderer Fan von Friedrichs Kreuzbildern bin. Aber die Stimmungen am Meer sind einfach umwerfend!
Und dazu Zauber der Stille von Florian Illies ist perfekt. So kompetent und gleichzeitig humorvoll und unterhaltsam. Ich hatte das Buch vor meiner Reise nach Hamburg angefangen und dann auf der Zugreise weitergelesen.
Liebe Grüße
Barbara