Sommerabende am Spreebogen

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Die Spree macht in ihrem Verlauf mehrere Bögen. Mir geht es  um den zwischen dem Reichstagsgebäude im Osten und der Kongresshalle im Westen.
Von den vier Abenden, die ich Mitte August in Berlin verbrachte, ging ich zweimal zum Essen an die Spree und genoss die Abenddämmerung und sommerlich angenehmeren Temperaturen als tagsüber.
Die Atmosphäre war entspannt und unbeschwert.

Mein erster Abend am Spreebogen

Von meinem Hotel in der Invalidenstraße ging ich durch den Hauptbahnhof hindurch zum Spreeufer und dann rechts. Mein Ziel war der Biergarten des Zollpackhofs, der außerdem ein Restaurant beherbergt.
Der gemütliche Biergarten unter alten, schattigen Bäumen bietet einen wunderschönen Blick auf die Spree und auf das Bundeskanzleramt.
Es gibt rustikale bayrische Küche im Biergarten mit Selbstbedienung. Ich habe mich für Leberkäs, Kartoffelsalat und ein Weizenbier entschieden.  Den großen Biertisch habe ich mit zwei jungen, unternehmungslustigen Frauen geteilt. (Mit gebührendem Abstand, versteht sich.)

Nach dem Essen habe ich dann noch eine kleine Brückenrunde gedreht über die Moltkebrücke zum Capital Beach.
Am Ludwig-Ehrhard-Ufer entlang, über die Kronprinzenbrücke zurück am Kapelle-Ufer mit einem Blick auf das Futurium, dem Haus der Zukünfte, wo sich alles um die Frage dreht: Wie wollen wir leben?
Dann über die Hugo-Preuss-Brücke und über den Washingtonplatz durch den Hauptbahnhof zurück zum Hotel. Dabei habe ich oft verweilt, die Stimmung auf mich wirken lassen und fotografiert.

Mein zweiter Abend am Spreebogen

Für heute Abend war mein Ziel das Spree – Restaurant Carl & Sophie. Ich ging schon um 18 Uhr vom Hotel los, um bei Licht gemütlich an der Spree entlang zu schlendern. Diesen Abschnitt kannte ich noch nicht. Und er barg einiges Neues für mich!

Das Magnus-Hirschfeld-Ufer

Die Uferpromenade am Moabiter Werder entlang heißt seit 2008 Magnus-Hirschfeld-Ufer in Gedenken an den Arzt und Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld (1868-1935). Er war  Initiator und maßgeblicher Vertreter der ersten homosexuellen Emanzipationsbewegung mit der Gründung des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) 1897.
1919 errichtete Hirschfeld auf dem Gelände zwischen dem heutigen Bundeskanzleramt und dem Haus der Kulturen der Welt das Institut für Sexualwissenschaft.

Aufgerüttelt durch den Strafprozess gegen den homosexuellen Schriftsteller Oscar Wilde, begann Hirschfeld 1895 mit der Erforschung der Homosexualität.
1929 errang das WhK einen großen Erfolg. Der Strafrechtsausschuss des deutschen Reichstages beschloss, Homosexualität im geplanten neuen Strafgesetzbuch nicht mehr unter Strafe zu stellen.
Die Nationalsozialisten erklärten Hirschfeld seit Beginn der 20er Jahre zu ihrem Feind, und am 10. Mai 1933 verbrannten sie seine Büste auf dem Berliner Opernplatz (heute Bebelplatz). Hirschfeld ging ins französische Exil, wo er 1935 starb.
1935 wurde auch offiziell der §175 verschärft und mit der Gründung der Reichszentrale zur Bekämpfung der
Homosexualität und Abtreibung ein Jahr später die Verfolgung institutionalisiert. Darin wurden die Karteien
aller polizeilich bekannten Homosexuellen zu Rosa Listen mit zehntausenden Verdächtigen zusammengefasst.

Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches (§ 175 StGB) existierte vom 1. Januar 1872 (Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches) bis zum 11. Juni 1994, wo er ersatzlos aufgehoben wurde.

Das „Magnus-Hirschfeld – Denkmal“

Das Denkmal heißt etwas sperrig Denkmal für die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung.
Es wurde am 7. September 2017 am Spreeufer zwischen Luther- und Moltkebrücke in Berlin eröffnet.
Im November 2015 wählte eine neunköpfige Fachjury aus fünf vorliegenden Entwürfen einer internationalen Arbeitsgruppe aus Kunst, Architektur und Design den Siegerentwurf. Calla-Lilien in den Farben des Regenbogens.

Die Jury ist der Überzeugung, dass das Denkmal selbstbewusst und positiv wirkt und eine beeindruckende Fernwirkung entwickelt. Die CALLA-Lilie besitzt weibliche und männliche Blüten auf einer Pflanze. Somit ist sie ein Symbol für die Normalität der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in der Natur.

Am Spreeufer entlang

Der Reiz dieses Abschnitts liegt in den drei Brücken: der Lutherbrücke, dem eisernen Gerickesteg und der Moabiter Brücke mit den Bären am Brückenaufgang.
Man geht vorbei an der Bundeschlange, einem Gebäudeensemble, dessen Hauptbestandteil ein 320 m langes, mehrfach gewundenes Backsteingebäude mit 718 Wohneinheiten ist, das von Ost nach West von fünf auf acht Stockwerke ansteigt. Das Haus wird gelobt wegen seiner prägnanten Schlangenform und weil es unter schwierigen räumlichen Bedingungen die Leitidee vom Band des Bundes aufnimmt, nach der das neue Regierungszentrum jenseits der Spree gestaltet wurde.
Negative Anmerkungen betreffen die schiere Größe des Objektes, das Fehlen von Balkons sowie relativ kleine Innenräume mit niedrigen Decken.
Und natürlich möchte nicht jeder Bundesbeamte in diesem Beamtenreservat leben, sondern sich lieber in einer gewachsenen Nachbarschaft niederlassen.

Beim Weitergehen eröffnet sich das Spreebogen-Areal mit dem markanten Spree-Bogen-Gebäude, das auf 13 Etagen  Büroräume für Unternehmen und Institutionen aller Branchen bietet.
Auf dem Gebiet befand sich die Hauptzentrale der 1879 gegründeten Bolle-Meierei. In dem dortigen Backsteinbau zwischen Spree und der Straße Alt-Moabit waren sämtliche Produktions- und Logistikabteilungen untergebracht.

Auf der Straße der Erinnerung auf dem Spree-Bogen-Areal in Moabit werden verdienstvolle Personen des öffentlichen Lebens  geehrt und ins Bewusstsein der deutschen Bevölkerung gerückt. So auch die Skulptur Wir sind das Volk von Rolf Biebl und ein Stück der Berliner Mauer im Gedenken an die (überwundene) Teilung der Stadt.

Restaurant Carl & Sophie

Die Speisekarte und die Location von Carl & Sophie hatten mich angeregt, und ich wurde nicht enttäuscht!
Mein Platz war am offenen, französischen Fenster mit Blick auf die Spree und die gegenüberliegenden Gründerzeitvillen. Der Platz hatte den Vorteil, nur mäßig von Wespen besucht zu werden im Gegensatz zu einem Platz im Garten.

Meine Vorspeise Gartenerbsen  mit den Zutaten Himbeere | gesalzene Zitrone | Sprossen war herrlich erfrischend an dem noch sehr warmen Abend und gleichzeitig ein optischer Genuss.
In Erinnerung an meine Israel/Palästinareise im Februar habe ich Falafel  mit Humus | Joghurt | Bohnenkerne als Hauptgang bestellt. Eine sehr elegante, schmackhafte Variante zu den einfachen, aber authentischen Falafeln, die ich in Bethlehem gegessen habe. Dazu der passende Wein.
Ein rundum gelungenes Essen in angenehmer, entspannter Atmosphäre.

Der Rückweg zur blauen Stunde

Gut gesättigt machte ich mich im warmen Licht  der blauen Stunde auf den Rückweg. Vorbei an der schlichten Eleganz der Laternen am Gerickesteg, dem sich in der Spree spiegelnden Haus der Kulturen der Welt, dem erleuchteten Bundeskanzleramt bis zur Greifskulptur der Moltkebrücke.
Besonders fasziniert haben mich die Dreiecksformen von The Cube, die sich auch auf dem Washingtonplatz fortsetzen.

Das Spreebogen-Areal möchte ich mir noch mal genauer anschauen und bis nach Charlottenburg weiterlaufen.
Es ist so friedlich und erholsam an der Spree!

6 Replies to “Sommerabende am Spreebogen”

  1. Liebe Barbara,
    ein sehr schöner Spaziergang, der vom trüben Herbst in laue Sommerabende zurückführt.
    Die Frage des Futuriums „Wie wollen wir leben?“ beantwortest du wunderbar anhand deiner Abende: Vielfältig!
    Beste Grüße
    Daniel

    1. Lieber Daniel,

      danke für deine Rückmeldung! Vielfältig ist eine passende Kategorie für Gegenwart und Zukunft.
      Ich vermisse die Sommerabende!
      Liebe Grüße
      Barbara

  2. Liebe Barbara,
    den ein oder anderen Teil der wirklich schönen Rundgänge kenne ich von dienstlichen Aufenthalten in Berlin- ich wohne auch meistens in der Invalidenstrasse, weil sich dort das Dienstgebäude befindet. Ich hatte aber nie so schönes Wetter und auch zu wenig Zeit, um es zu genießen. Das habe ich mit deinem Rundgang jetzt nachgeholt ! Und die Fotos haben die Atmosphäre dieses wirklich sehenswerten Teils von Berlin wieder wunderbar eingefangen. Ganz ehrlich: Die Bundesschlange ist für Leute, die darin wohnen müssen alles andere als „hip“ – ich habe einen Kollegen, der dort mal gewohnt hat. Architektur von Architekten für sich selbst oder den Auftraggeber, aber nicht für die Bewohner. Davon gibt es auch gerade bei den in den 90er Jahren entstandenen Regierungsbauten einige negative Beispiele. Architekten wie Le Corbusier dagegen hatten immer den Bewohner/Nutzer und seine Bedürfnisse im Blick. Ein schöner fotografischer Bericht – ein Besuch lohnt sich!
    Viele Grüße
    Rainer

    1. Lieber Rainer,

      danke für deine Rückmeldung und die Ergänzung deines Insider-Wissens. Ich finde auch, dass die Parklandschaft um die Bundesschlange herum nicht den eigenen Balkon ersetzen und wollte nicht ausschließlich mit meiner eigenen Berufsgruppe zusammen leben. Trotzdem schön anzusehen wie alles, was der Spreebogen zu bieten hat. Es freut mich, dass du nun – zwar nur virtuell – bei schönstem Wetter meine Spaziergänge nachvollziehen konntest.
      Liebe Grüße
      Barbara

  3. Hallo Barbara,
    das war jetzt grad wunderschön, wie ich mit dir an der Spree entlang geschlendert bin.
    Danke für’s mitnehmen
    Ulrika

    1. Liebe Ulrika,

      es freut mich, dass dir die Spaziergänge an der Spree gefallen! Und im Augenblick kann man sie sowieso nur virtuell machen, da es eine Reisewarnung für Moabit gibt.
      Liebe Grüße
      Barbara

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