Fährvergnügen im Wörlitzer Park

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Die Wörlitzer Parklandschaft ist durchzogen von Kanälen. Der Wörlitzer See liegt in ihrem Zentrum.
17 ganz unterschiedliche Brücken verbinden die meisten Parkflächen. Gondeln fahren auf dem See und einigen Kanälen.
Beides sehr interessante und erlebnisreiche Arten, den Park kennen zu lernen.

Ein bisschen altmodisch, gleichzeitig sehr ursprünglich und anregend ist eine Fährfahrt mit einer der drei Fähren. Und sie spart Umwege.

Eine Fährfahrt – zwischen Symbolik und Funktionalität

Fähren existieren bereits seit der Antike. Aus der griechischen Mythologie ist der düstere Fährmann Charon bekannt, der mit seiner Fähre über den Totenfluss fährt.
Der Warentransport über Fähren fand auch schon beim Bau der Pyramiden statt. Vermutlich kamen Doppelfähren zum Einsatz, die eine Kapazität von  bis zu 90 Tonnen aufwiesen und somit auch schwere Steine transportieren konnten. Das Prinzip lässt sich bis in die Zeit der Kreuzzüge zurückverfolgen.

Die Fahrt mit einer Fähre wird oft als Metapher für Übergang oder entscheidende Phasen einer Reise gebraucht. Der Fährmann erscheint dabei meist als ein Führer oder Helfer für jene, die er zum anderen Ufer, sei es das Reich der Toten oder der nächste Abschnitt der Reise, bringt.

Fähren verbinden zwei durch Wasser getrennte Ufer. Sie fahren zu einem unbekannten, neuen, vielleicht auch ungewissen Ort. Man muss dem Fährmann vertrauen, dass er einen sicher ans andere Ufer bringt.
Chris de Burgh besingt in seinem Song Don’t pay the ferryman eher sein Misstrauen gegenüber dem Fährmann, denn er rät, den Fährmann erst zu bezahlen, wenn man auf der anderen Seite des Ufers angelangt ist. Don’t pay the ferryman until he gets you to the other side.

Meine erste Fährerfahrung habe ich auf einer großen Personen-und Autofähre von Ostende nach Dover gemacht und über die weißen Kreidefelsen von Dover gestaunt, die schon vielfach besungen wurden, z. B. von Shakespeare in King Lear oder Matthew Arnold in Dover Beach.

Inzwischen habe ich viele weitere Fährfahrten mit großen, mittleren und kleinen Fähren erlebt, die ich größtenteils genossen habe. Aber es gab auch zumindest zwei, an die ich mich erinnere, wo es sehr stürmisch war und es mir sehr, sehr elend war. Selbst mit Boden unter den Füßen hatte ich noch das Schaukeln des Fährschiffes im Körper. Die Fahrt von Nizza nach Ajaccio und die Fahrt von Galway zu den Aran Islands.

Ein Hoch auf die Fährführerinnen

Auf die Fähren im Wörlitzer Park trifft all das glücklicherweise nicht zu. Die Strecke ist kurz. Man sieht das gegenüberliegende Ufer. Man kann bedenkenlos beim Betreten der Fähre bezahlen und dem Fährmann (heute Fährführer) vertrauen.
Fähren, die in der Zeit unseres Aufenthaltes ausschließlich von Frauen geführt wurden.

Im Wörlitzer Park gibt es drei Fähren.

  • die Amtsfähre zwischen Synagoge und Weidenheger
  • die Roseninselfähren zwischen Neumarks Garten – Roseninsel – Schochs Garten
  • die Teelaubenfähre zwischen Schlossgarten  und Neumarks Garten

Alle drei Fähren sind in den Sommermonaten zwischen 10 Uhr und 18 Uhr in Betrieb.
Die Überfahrt kostet 1€, die man vorzugsweise als eine Münze in ein dafür vorgesehenes Vogelhäuschen wirft. Bei den Roseninselfähren bezahlt man nur die Fahrt auf die Roseninsel, nicht aber die zweite Fahrt von der Roseninsel nach Schochs Garten.

In Coronazeiten dürfen nur 6 Personen gleichzeitig auf der Amtsfähre und der Teelaubenfähre fahren, jeweils 4 Personen auf den Roseninselfähren. Es gibt Bodenmarkierungen für die Abstände, die eingehalten werden müssen.

Der Einstieg ist etwas wackelig, wie sich das für eine kleine Fähre gehört.
Aber die Fährführerinnen, die wir während unseres Aufenthaltes kennen gelernt haben, sind allesamt gestandene Frauen, erfahren im Umgang mit der Fähre, bestimmt, auf die Sicherheit ihrer Gäste bedacht und kenntnisreich.
Ein Fitnessstudio brauchen sie für den Muskelaufbau ihrer Arme nicht!
Dafür sorgt das Kurbeln der Fähre an einem Seilzug, hin und her, den ganzen Tag.

Dieser im 18. Jahrhundert nach englischem Vorbild gestaltete Landschaftspark ist ein Genuss für das Auge und die Seele.
Natur und Kultur stehen im Einklang, und man kann prächtig lustwandeln.
Zusätzliche Abwechslung und Vergnügen bieten diese kleinen Fährfahrten.

Probiert’s aus!     

6 Replies to “Fährvergnügen im Wörlitzer Park”

  1. Liebe Barbara,

    na, hat es Dich mal wieder in Deinen Reiseschuhen gejuckt? Ich hoffe doch, coronagerecht, also nicht im Bus.

    Diese ästhetischen politischen Parks der Aufklärung sind einfach großartig. Was sie aber mit denen des barocken Absolutismus gemein haben, ist, dass kein Bäumelein dort von der Natur hingresetzt worden ist, sondern von Menschen, die durch die Pflanze politische Botschaften aussenden wollten.

    Wir haben in zwei großen Etappen die südenglischen Gärten in selbst organisierter Regie besucht, na ja bis Wiltshire hoch. Voriges Jahr waren wir erst zwei Wochen in Frankreich und dann zwei in England. Alles Natur, aber so unterschiedlich in den Grundanlagen. Die Gartenanlage des Absolutismus kulminiert im Schlafzimmer des Herrschers oder auch nur Landadligen. Der englische Garten scheint die Natur sich selbst überlassen zu haben, hat aber sehr viel unsichtbarer auch alle Zügel in der Hand. Dabei ist er aber ein Garten, der zum Träumen anregt, der barocke soll zeigen, wem man zu gehorchen hat.

    Bin gespannt, was Du als nächstes im Rohr hast!
    Herzliche Grüße
    Wolfgang

    1. Lieber Wolfgang,

      danke für deine Rückmeldung mit den ergänzenden Bemerkungen zum englischen Garten. Ich habe einige Gärten in Devon und Cornwall besucht, die einfach eine Augenweide sind. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich stand schon länger auf meiner Liste und bot sich jetzt an in Verbindung mit einer 4-tägigen Fahrt nach Berlin. Mich begeistert die Umsetzung des aufklärerisch-pädagogischen Konzeptes, die klassizistische Architektur (Neogotik ist nicht so mein Geschmack) und antikisierten Skulpturen, die sich scheinbar überraschend in einer Sichtachse dem Betrachter offenbaren. Dabei ist auch hier – wie du schon sagtest – nichts dem Zufall überlassen worden.

      Herzliche Grüße
      Barbara

  2. Liebe Barbara,
    Wörlitz ist für mich ein Mekka:viel Wasser, was wunderschöne Brücken und die Fähren mit sich bringt, und die im Sinne der Aufklärung gestaltete Parkwelt (Rousseauinsel z.B.). Ich freue mich über deine Bilder und dass es dir auch so gut dort gefällt.
    Christiane

    1. Liebe Christiane,

      danke für deine Rückmeldung. Ich war auch sehr beeindruckt von der Parklandschaft mit dem aufklärerischen Konzept, das dort auch umgesetzt worden ist. Dieser Beitrag ist ein kleiner Ausschnitt – die Würdigung der Fährführerinnen war mir wichtig – und ich hoffe, dass ich nach einem in der Warteschleife liegenden Beitrag noch mehr Fotos zeigen kann.
      Liebe Grüße, Barbara

  3. Liebe Barbara,
    was für ein stimmungsvoller Bericht! In Verbindung mit den Fotos wird man richtig entspannt. Bestimmt ein wunderbarer Ort zum Genießen der Natur und der Ruhe – sofern nicht zu viele Leute anwesend sind. Ja, die Park- und Landschaftsarchitekten vergangener Zeiten hatten „was drauf“!
    Viele Grüße
    Rainer

    1. Lieber Rainer,
      danke für deine prompte Rückmeldung. Ich habe in meinem Beitrag nur einen winzigen Ausschnitt dargestellt. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich ist eine eindrucksvolle Gartenlandschaft nach englischem Vorbild. Fürst Franz von Anhalt-Dessau war der Aufklärung verpflichtet, ein Visionär, der in der Anlage Schönheit und praktischen Nutzen verbindet. Architektur und Gartenkunst werden durch Ackerbau ergänzt. Er sah es als einen Bildungsauftrag und bot seinem Volk Lerngelegenheiten über die Gartenkunst und die Architektur. Bis heute ist der Eintritt in das Gartenreich frei. Unbedingt sehenswert!
      Viele Grüße, Barbara

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