Die No. 1 in Wiesbaden – Museum Reinhard Ernst

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Yoshi Lida, Ohne Titel, 1976

Farbe ist alles!

Katharina Grosse: Ein Glas Wasser, bitte

Fred Thieler, Klappbild, ungleich, 1965
Friedel Dzubas, Argonaut, 1983

Meine Favoriten

Unmittelbar nachdem Tōkō Shinoda in China zur Welt kam, kehrte ihre Familie nach Japan zurück. Von der Liebe ihres Vaters zur Kalligrafie geprägt, widmete sie sich dort der japanischen Schriftkunst und nutzte dazu Tusche (Sumi-e).

Nach einem Aufenthalt in New York wandte sich Shinoda von der traditionellen Zeichentechnik der Kalligrafie ab und arbeitete mit abstrakten und ausdrucksstarken Formsetzungen, wie in Unseen Forms #15.

Auf vier senkrecht verlaufende Papierbahnen, die sie auf Leinwand montierte, ist Silberpapier aufgebracht, auf das sie mit Tusche zeichnete. Jede einzelne Linie ist in einem Zug mit dem Malwerkzeug auf die Leinwand gebracht, wobei jede Überlagerung und Abstufung der Farbe von der Künstlerin bedacht wird.
Diese als Abbild der kontrollierten Sinnlichkeit bezeichnete Kunst lässt Inhalt und Form miteinander verschmelzen.

Ich glaube, es sind diese diagonalen Linien, die mit Präzision auf die Leinwand projiziert werden und die harmonisch miteinander korrespondieren, die mich beeindrucken. Und auch das Material: Siberpapier und Tusche.

Helen Frankenthalers Arbeiten der 1980er Jahre sind wegen ihrer unterschiedlichen Arbeitstechniken und Herangehensweisen von großer formaler Vielfalt geprägt.
Das Gewebe wird im künstlerischen Prozess auf dem Boden mit gestischen Spuren, Spritzer dünnflüssiger Farbe und materiellen Farbschichten bearbeitet. (Soak-Stain-Methode) Erst in einem zweiten Schritt wählt Frankenthaler den Bildausschnitt aus.
Während des Malens sind alle Regeln außer Kraft gesetzt, zugunsten von Improvisation und freiem künstlerischem Handeln.

Diese Methode allein ist wirkungsvoll. Das war aber nicht der Hauptgrund, warum mich das Gemälde magisch anzog.
Es waren die Kontrastfarben rot und grün. Und die roten Striche und Punkte, die wie Ausrufezeichen zu einem wichtigen Statement im Mittelpunkt stehen.

Und dann hatte ich sofort eine Assoziation mit einem minimalistischen Foto, das ich Ende 2019 auf dem Inle See in Myanmar fotografiert habe: die gleichen Kontrastfarben. Das Rot in Form eines kleinen Lappens auf dem Fensterbrett, das Nachbarhaus in königsblau. Ein Schattenwurf der Jalousie.
Das hat mich damals so fasziniert wie das Bild von Helen Frankenthaler heute.

Die Suche nach dem weißen Wal – Moby Dick von Herman Melville

Frank Stella, The Chase – Second Day (Moby Dick Series, chapter 134) 1989

Traumhaft schöne Waschräume

12 Replies to “Die No. 1 in Wiesbaden – Museum Reinhard Ernst”

  1. Liebe Barbara,

    obwohl ich bei meinen letzten Besuchen in Wiesbaden an besagter Kreuzung regelmäßig rechts abbiege, ist mir dieses Gebäude trotzdem aufgefallen.
    Dank deines informativen und interessanten Berichtes weiß ich nun, was dahinter steckt und kann es gut einordnen.
    Du hast mich tatsächlich neugierig auf diesen Bau gemacht, hinter dem ich die Farbe „Weiß“ mit absoluter Kühle assoziierte, was in Wirklichkeit offensichtlich gar nicht zutrifft. Der erste Eindruck täuscht also. Die Kombination aus Glas und Beton mit dem warmen Rohstoff Holz verleiht diesem Museum eine behagliche Atmosphäre. Insofern lohnt sich tatsächlich ein Besuch.
    So ist es durchaus möglich, dass mich mein Weg bei meinem nächsten Besuch in Wiesbaden an besagter Kreuzung nicht nach rechts sondern erst einmal links Richtung mre führt.

    Liebe Grüße

    Angelika

    1. Liebe Angelika,

      ja, biege unbedingt nach links ab und gönne dir das Museum! Neben der Architektur ist die Kunst sehr sehenswert. Und danach den legendären Käsekuchen im Café Blum? Oder lieber eine Kleinigkeit im Rue No.1, das mit dem Museum verbunden ist? Auch sonst kann man ganz gut durch Wiesbaden schlendern, auch wenn die Wilhelmstrasse nicht mehr das ist, was sie in meiner Jugend einmal war. Stell dir vor, ich habe seinerzeit mit der Clique fähnchenschwingend in der Wilhelmstrasse gestanden, als Queen Elizabeth II.im Mai 1965 auf ihrer ersten Deutschlandtournee nach dem Krieg war und Wiesbaden eine 2stündige Stippvisite abstattete. Those were the days! Aber dieses Museum ist ein echtes Highlight für Wiesbaden.

      Liebe Grüße
      Barbara

  2. Liebe Barbara,
    Vielen Dank für den informativen Bericht und die großartigen Fotos. Ich war im August im mre und war von der Architektur begeistert. Das Gebäude ist in der Nachbarschaft des Landesmuseums und der anderen Gebäude keineswegs ein Fremdkörper. Museumscafé und Terasse vermitteln südlichen Flair. Die Toiletten und Waschräume, die Du so gut getroffen hast,
    Liebe Grüße und eine fröhliche
    Adventszeit
    Christa

    1. Liebe Christa,

      danke für deine Rückmeldung. Du hast offenbar genauso empfunden wie ich. Fumihiko Maki ist ein großartiger Architekt. Und dieses Museum ist das einzige, das er in Deutschland geschaffen hat. Ähnlich begeistert bin ich von Tadao Ando, von dem ich die Bourse de Commerce in Paris kennengelernt habe und den Museumsumbau Punta della Dogana in Venedig.
      Und Wiesbaden ist so nah! Da kann man immer mal wieder hingehen.

      Ich wünsche dir auch eine entspannte, anregende Adventszeit.
      Liebe Grüße
      Barbara

  3. Liebe Barbara,

    gemäß dem von Dir beschriebenen „Farbe ist alles!“ ist auch dieser Beitrag wunderbar bunt.
    Du schaffst es sehr gut, Lust auf einen Besuch zu machen.
    Ich habe mir das Museum schon auf meiner Liste notiert.
    Beste Grüße
    Daniel

    1. Lieber Daniel,

      danke für deine Rückmeldung!

      Es freut mich, dass dich mein Beitrag anregen konnte. Es ist wirklich schön! Und man kann sich in Wiesbaden dann zusätzlich vielfältig umtun. Der Weihnachtsmarkt um die Marktkirche ist sicherlich auch bunt!

      Liebe Grüße
      Barbara

  4. Liebe Barbara,
    ich freue mich sehr, dass Du das Museum Ernst für Dich entdeckt hast. Es könnte ein Anziehungspunkt für Wiesbaden werden wie es das Guggenheim für Bilbao ist. Wir gehen mit auswärtigem Besuch regelmäßig dorthin; es ist ein Ort zum Staunen. Über die unglaubliche Architektur in dieser Lage an sich, über die verbauten Materialien und natürlich über die großartigen Kunstwerke. Architektur und Kunst gehen eine wunderbare Symbiose ein!
    Ich möchte gern noch auf eine ganz andere Besonderheit des Museums hinweisen: bis täglich 12:00 Uhr ist es für die „normale“ Öffentlichkeit geschlossen, denn am Vormittag ist es ganz und gar nur für Kinder und Jugendliche zugänglich! Ist das nicht toll!!
    Ein generöses und einmaliges Stiftungswerk!

    1. Lieber Wolfgang,

      danke für deine Ausführungen. Ich habe das Museum genau so erlebt. Danke auch für deinen Hinweis auf die Kinderfreundlichkeit des Museums. Ich habe vergessen, das extra zu erwähnen. Im Video mir Reinhard Ernst spricht er ausführlich darüber.
      Ich bin in Wiesbaden aufgewachsen, komme aber selten zurück. Das Museum war ein willkommener Anlass, eine kleine Nostalgietour zu unternehmen.

      Herzliche Grüße
      Barbara

  5. Liebe Barbara,
    du hast Recht. Dieses Museum bereichert die Stadt Wiesbaden enorm. Ich war an einem regnerischen Tag dort, konnte deshalb das Gebäude von außen nicht entsprechend würdigen. Aber die Gemälde im Inneren hätte ich mir gerne länger angeschaut als es meine Zeit erlaubte. Viele von diesen Werken sind faszinierend durch die Farben, das Material, den Entstehungsprozess oder eine neue Ausrichtung. Ich hatte keine Führung, aber Kopfhörer. Bei den Texten merkte ich sofort, mit welcher Leidenschaft der Sammler Ernst seine Werke betrachtet und wie er sie eigentlich auch nur ungern hergibt. Er überlässt es dem Betrachter, sich ein eigenes Bild von den Künstlern und ihren Intuitionen zu machen. Und er hat viel für Kinder übrig, denen er die Bilder in einer eigener Sprache erklärt. Ich werde sicher wieder dort hingehen, auch angeregt durch deine tollen Fotos und deine spezielle Auswahl der Bilder.

    1. Liebe Helga,

      danke für deinen ausführlichen Kommentar.
      Ja, das Museum ist eine Bereicherung für Wiesbaden. Und du hast recht. Da kann man gerne wieder hingehen. Vielleicht gehen wir zusammen hin. Wir wollten ja mal eine Nostalgiefahrt nach Wiesbaden machen, als uns Corona dazwischen kam.

      Liebe Grüße
      Barbara

  6. Liebe Barbara,
    Der Bericht über das mre macht Lust dieses neue Museum zu besuchen. Nicht nur die ausgestellten Exponate und die Art und Weise ihrer Präsentation animieren, sondern auch der Museumsbau selbst ist einen Besuch wert. Einerseits funktional und modern strahlt der Bau andererseits viel Behaglichkeit und Wärme aus. Die verwendeten Materialien spielen dabei sicherlich eine entscheidende Rolle.
    Wieder ein total interessanter Bericht! Besten Dank!
    Liebe Grüße Rainer

    1. Lieber Rainer,
      danke für deine Rückmeldung. Die Architektur des Museums hat mich sehr begeistert. Diese Großzügigkeit, viel Licht und Transparenz. Und du hast recht. Die mit Bedacht ausgewählten Materialien wirken sehr edel und sind auch haptisch ein Erlebnis. Da sind die Kunstwerke fast zweitrangig. Aber sie kommen durch eine großzügige Hängung sehr gut zur Geltung. Ein Erlebnis, dass du dir gönnen solltest. Und – Wiesbaden ist einen Besuch wert!

      Liebe Grüße
      Barbara

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