Das Museum Reinhard Ernst ist ein Wohlfühlort!
Große, hohe Räume. Lichtdurchflutet.
Holzböden und Holztreppen, die die Schritte angenehm dämpfen.
Ein Atrium aus Glas, das viel Durchblick zulässt.
Sitzgelegenheiten, da, wo man sie braucht. Um in Ruhe den Blick schweifen zu lassen oder auf einem Bild zu verweilen.
Großzügige Hängung. Jedes Bild kann seine Wirkung entfalten.
Edle, wohlüberlegte Materialien, die auch eine haptische Komponente haben.
Zur Stadt passend und gleichzeitig etwas völlig Eigenes.
Schlicht und gleichzeitig mit raffinierter Raumgestaltung.
Behaglich und gleichzeitig kompromisslos modern.
Dialog zwischen Reinhard Ernst und Fumihiko Maki
Für das mre hat Fumihiko Maki sich intensiv mit der Sammlung Reinhard Ernst beschäftigt sowie die Umgebung und den städtischen Kulturraum erkundet.
Er hat die Straßenführung, die Nachbarschaft und sogar die Gebäudeachsen der gegenüberliegenden historistischen Bebauung in seine Planungen einbezogen.
So wird das in ein weiß glitzerndes Granitkleid gehüllte Museum an der Wilhelmstraße 1 wie einst das Victoria-Hotel wieder das Tor zur Rue.
Besonders überzeugt
hat mich seine Philosophie:
Fumihiko Maki war der Meinung, dass ein Gebäude immer dann am nachhaltigsten ist,
wenn es von der Gemeinschaft, für die es gebaut wurde, angenommen und geliebt wird.
Ich bin sicher, dass wir mit dem mre ein Museum gebaut haben,
das die Herzen seiner Besucher:innen gewinnen wird.
Reinhard Ernst
Durch seine markante Lage an der Kreuzung der ehrwürdigen Wilhelmstraße und Rheinstraße bildet der Standort einen wichtigen Orientierungspunkt. Er dient nicht nur als aus allen Richtungen zugängliches Tor zu Wiesbadens Prachtboulevard, sondern stellt auch eine Erweiterung der bedeutenden Kulturmeile dar:
Das benachbarte Museum Wiesbaden (ein renommiertes Museum für Kunst und Natur) und das RheinMain CongressCenter direkt auf der anderen Seite der Rheinstraße.
Und das Hessische Staatstheater, das Kurhaus mit Konzertsaal und die traditionsreiche Spielbank am Bowling Green zum Ende der Wilhelmstraße hin.
Farbe ist alles!
Das stiftungsfinanzierte Museum Reinhard Ernst (mre) startete ab dem 25. Juni 2024 seinen Publikumsbetrieb. Sechzig Meisterwerke aus der Sammlung des Wiesbadener Unternehmers und Stifters Reinhard Ernst sind in der Eröffnungsausstellung zu sehen.
Das mre ist das zehnte Museum des kürzlich verstorbenen japanischen Pritzker-Preisträgers Fumihiko Maki und sein einziges in Europa.
Katharina Grosse: Ein Glas Wasser, bitte
Unter dem Titel Farbe ist alles! zeigt die erste Sammlungspräsentation
besondere Höhepunkte in der Geschichte der Abstraktion nach 1945 auf.
In den USA, in Japan und in Europa. 60 Meisterwerke aus der
Sammlung Reinhard Ernst illustrieren die bahnbrechenden Veränderungen in
der Malerei.
In den eleganten Räumen von Fumihiko Maki werden
großformatige Arbeiten u.a. von Friedel Dzubas, K.O. Götz, Toshimitsu Imai,
Helen Frankenthaler, Robert Motherwell, Judit Reigl, Tōkō Shinoda, Pierre
Soulages, Frank Stella und Fred Thieler zu sehen sein.
Meine Favoriten
Unmittelbar nachdem Tōkō Shinoda in China zur Welt kam, kehrte ihre Familie nach Japan zurück. Von der Liebe ihres Vaters zur Kalligrafie geprägt, widmete sie sich dort der japanischen Schriftkunst und nutzte dazu Tusche (Sumi-e).
Nach einem Aufenthalt in New York wandte sich Shinoda von der traditionellen Zeichentechnik der Kalligrafie ab und arbeitete mit abstrakten und ausdrucksstarken Formsetzungen, wie in Unseen Forms #15.
Auf vier senkrecht verlaufende Papierbahnen, die sie auf Leinwand montierte, ist Silberpapier aufgebracht, auf das sie mit Tusche zeichnete. Jede einzelne Linie ist in einem Zug mit dem Malwerkzeug auf die Leinwand gebracht, wobei jede Überlagerung und Abstufung der Farbe von der Künstlerin bedacht wird.
Diese als Abbild der kontrollierten Sinnlichkeit bezeichnete Kunst lässt Inhalt und Form miteinander verschmelzen.
Ich glaube, es sind diese diagonalen Linien, die mit Präzision auf die Leinwand projiziert werden und die harmonisch miteinander korrespondieren, die mich beeindrucken. Und auch das Material: Siberpapier und Tusche.
Helen Frankenthalers Arbeiten der 1980er Jahre sind wegen ihrer unterschiedlichen Arbeitstechniken und Herangehensweisen von großer formaler Vielfalt geprägt.
Das Gewebe wird im künstlerischen Prozess auf dem Boden mit gestischen Spuren, Spritzer dünnflüssiger Farbe und materiellen Farbschichten bearbeitet. (Soak-Stain-Methode) Erst in einem zweiten Schritt wählt Frankenthaler den Bildausschnitt aus.
Während des Malens sind alle Regeln außer Kraft gesetzt, zugunsten von Improvisation und freiem künstlerischem Handeln.
Diese Methode allein ist wirkungsvoll. Das war aber nicht der Hauptgrund, warum mich das Gemälde magisch anzog.
Es waren die Kontrastfarben rot und grün. Und die roten Striche und Punkte, die wie Ausrufezeichen zu einem wichtigen Statement im Mittelpunkt stehen.
Und dann hatte ich sofort eine Assoziation mit einem minimalistischen Foto, das ich Ende 2019 auf dem Inle See in Myanmar fotografiert habe: die gleichen Kontrastfarben. Das Rot in Form eines kleinen Lappens auf dem Fensterbrett, das Nachbarhaus in königsblau. Ein Schattenwurf der Jalousie.
Das hat mich damals so fasziniert wie das Bild von Helen Frankenthaler heute.
Die Suche nach dem weißen Wal – Moby Dick von Herman Melville
Fasziniert von Kapitän Ahabs unerbitterlicher Jagd nach dem weißen Pottwal Moby Dick, widmete Frank Stella dem Jahrhundertroman Moby Dick von Herman Melville (1851) eine gleichnamige Serie von 266 Arbeiten.
Drei Werke sind im Museum zu sehen. Jedes ist nach einem der 135 Kapitel des Romans benannt.
Wie Kapitän Ahab dem Weißen Wal, so jagte Frank Stella unablässig der Bedeutung der Malerei und ihrer Zukunft hinterher. Die Geschichte warf für den Künstler die Frage auf, ob die Abstraktion geeigneter [sei], dem Roman einen bildnerischen Ausdruck zu verleihen, als jede noch so geschickte Illustration.
Für mich braucht die Sprachgewalt des Romans und seine symbolische Tiefe keine Illustration.
Gleichzeitig imponiert mir die Idee, sich dem Roman durch abstrakte Malerei zu nähern.
Frank Stella, The Chase – Second Day (Moby Dick Series, chapter 134) 1989
Traumhaft schöne Waschräume
Wer sich nicht so schnell davon überzeugen lässt, dass das Museum Reinhard Ernst ein Wohlfühlort ist, dem sei unbedingt ein Gang zu den Toiletten empfohlen. So ein schönes Ambiente hatte ich nicht erwartet.
Aber es ist sehr stimmig mit der ganzen Sorgfalt, mit der dieses Museum konzipiert und umgesetzt wurde.
Unter ihrem Street-Art-Namen MadC gehört Claudia Walde (geboren 1980) zu den weltweit anerkanntesten Graffiti-Künstlerinnen. Dank MadC bieten im mre sogar die Funktionsräume Kunstgenuss. Die Planung der Sanitärbereiche im Untergeschoss wurde speziell auf die hinterleuchteten Glasgemälde Wandering Thoughts ausgerichtet.
Liebe Barbara,
obwohl ich bei meinen letzten Besuchen in Wiesbaden an besagter Kreuzung regelmäßig rechts abbiege, ist mir dieses Gebäude trotzdem aufgefallen.
Dank deines informativen und interessanten Berichtes weiß ich nun, was dahinter steckt und kann es gut einordnen.
Du hast mich tatsächlich neugierig auf diesen Bau gemacht, hinter dem ich die Farbe „Weiß“ mit absoluter Kühle assoziierte, was in Wirklichkeit offensichtlich gar nicht zutrifft. Der erste Eindruck täuscht also. Die Kombination aus Glas und Beton mit dem warmen Rohstoff Holz verleiht diesem Museum eine behagliche Atmosphäre. Insofern lohnt sich tatsächlich ein Besuch.
So ist es durchaus möglich, dass mich mein Weg bei meinem nächsten Besuch in Wiesbaden an besagter Kreuzung nicht nach rechts sondern erst einmal links Richtung mre führt.
Liebe Grüße
Angelika
Liebe Angelika,
ja, biege unbedingt nach links ab und gönne dir das Museum! Neben der Architektur ist die Kunst sehr sehenswert. Und danach den legendären Käsekuchen im Café Blum? Oder lieber eine Kleinigkeit im Rue No.1, das mit dem Museum verbunden ist? Auch sonst kann man ganz gut durch Wiesbaden schlendern, auch wenn die Wilhelmstrasse nicht mehr das ist, was sie in meiner Jugend einmal war. Stell dir vor, ich habe seinerzeit mit der Clique fähnchenschwingend in der Wilhelmstrasse gestanden, als Queen Elizabeth II.im Mai 1965 auf ihrer ersten Deutschlandtournee nach dem Krieg war und Wiesbaden eine 2stündige Stippvisite abstattete. Those were the days! Aber dieses Museum ist ein echtes Highlight für Wiesbaden.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
Vielen Dank für den informativen Bericht und die großartigen Fotos. Ich war im August im mre und war von der Architektur begeistert. Das Gebäude ist in der Nachbarschaft des Landesmuseums und der anderen Gebäude keineswegs ein Fremdkörper. Museumscafé und Terasse vermitteln südlichen Flair. Die Toiletten und Waschräume, die Du so gut getroffen hast,
Liebe Grüße und eine fröhliche
Adventszeit
Christa
Liebe Christa,
danke für deine Rückmeldung. Du hast offenbar genauso empfunden wie ich. Fumihiko Maki ist ein großartiger Architekt. Und dieses Museum ist das einzige, das er in Deutschland geschaffen hat. Ähnlich begeistert bin ich von Tadao Ando, von dem ich die Bourse de Commerce in Paris kennengelernt habe und den Museumsumbau Punta della Dogana in Venedig.
Und Wiesbaden ist so nah! Da kann man immer mal wieder hingehen.
Ich wünsche dir auch eine entspannte, anregende Adventszeit.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
gemäß dem von Dir beschriebenen „Farbe ist alles!“ ist auch dieser Beitrag wunderbar bunt.
Du schaffst es sehr gut, Lust auf einen Besuch zu machen.
Ich habe mir das Museum schon auf meiner Liste notiert.
Beste Grüße
Daniel
Lieber Daniel,
danke für deine Rückmeldung!
Es freut mich, dass dich mein Beitrag anregen konnte. Es ist wirklich schön! Und man kann sich in Wiesbaden dann zusätzlich vielfältig umtun. Der Weihnachtsmarkt um die Marktkirche ist sicherlich auch bunt!
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
ich freue mich sehr, dass Du das Museum Ernst für Dich entdeckt hast. Es könnte ein Anziehungspunkt für Wiesbaden werden wie es das Guggenheim für Bilbao ist. Wir gehen mit auswärtigem Besuch regelmäßig dorthin; es ist ein Ort zum Staunen. Über die unglaubliche Architektur in dieser Lage an sich, über die verbauten Materialien und natürlich über die großartigen Kunstwerke. Architektur und Kunst gehen eine wunderbare Symbiose ein!
Ich möchte gern noch auf eine ganz andere Besonderheit des Museums hinweisen: bis täglich 12:00 Uhr ist es für die „normale“ Öffentlichkeit geschlossen, denn am Vormittag ist es ganz und gar nur für Kinder und Jugendliche zugänglich! Ist das nicht toll!!
Ein generöses und einmaliges Stiftungswerk!
Lieber Wolfgang,
danke für deine Ausführungen. Ich habe das Museum genau so erlebt. Danke auch für deinen Hinweis auf die Kinderfreundlichkeit des Museums. Ich habe vergessen, das extra zu erwähnen. Im Video mir Reinhard Ernst spricht er ausführlich darüber.
Ich bin in Wiesbaden aufgewachsen, komme aber selten zurück. Das Museum war ein willkommener Anlass, eine kleine Nostalgietour zu unternehmen.
Herzliche Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
du hast Recht. Dieses Museum bereichert die Stadt Wiesbaden enorm. Ich war an einem regnerischen Tag dort, konnte deshalb das Gebäude von außen nicht entsprechend würdigen. Aber die Gemälde im Inneren hätte ich mir gerne länger angeschaut als es meine Zeit erlaubte. Viele von diesen Werken sind faszinierend durch die Farben, das Material, den Entstehungsprozess oder eine neue Ausrichtung. Ich hatte keine Führung, aber Kopfhörer. Bei den Texten merkte ich sofort, mit welcher Leidenschaft der Sammler Ernst seine Werke betrachtet und wie er sie eigentlich auch nur ungern hergibt. Er überlässt es dem Betrachter, sich ein eigenes Bild von den Künstlern und ihren Intuitionen zu machen. Und er hat viel für Kinder übrig, denen er die Bilder in einer eigener Sprache erklärt. Ich werde sicher wieder dort hingehen, auch angeregt durch deine tollen Fotos und deine spezielle Auswahl der Bilder.
Liebe Helga,
danke für deinen ausführlichen Kommentar.
Ja, das Museum ist eine Bereicherung für Wiesbaden. Und du hast recht. Da kann man gerne wieder hingehen. Vielleicht gehen wir zusammen hin. Wir wollten ja mal eine Nostalgiefahrt nach Wiesbaden machen, als uns Corona dazwischen kam.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
Der Bericht über das mre macht Lust dieses neue Museum zu besuchen. Nicht nur die ausgestellten Exponate und die Art und Weise ihrer Präsentation animieren, sondern auch der Museumsbau selbst ist einen Besuch wert. Einerseits funktional und modern strahlt der Bau andererseits viel Behaglichkeit und Wärme aus. Die verwendeten Materialien spielen dabei sicherlich eine entscheidende Rolle.
Wieder ein total interessanter Bericht! Besten Dank!
Liebe Grüße Rainer
Lieber Rainer,
danke für deine Rückmeldung. Die Architektur des Museums hat mich sehr begeistert. Diese Großzügigkeit, viel Licht und Transparenz. Und du hast recht. Die mit Bedacht ausgewählten Materialien wirken sehr edel und sind auch haptisch ein Erlebnis. Da sind die Kunstwerke fast zweitrangig. Aber sie kommen durch eine großzügige Hängung sehr gut zur Geltung. Ein Erlebnis, dass du dir gönnen solltest. Und – Wiesbaden ist einen Besuch wert!
Liebe Grüße
Barbara