Der Teufelsberg – Abhörstation während des Kalten Krieges

Posted on

Heute fällt der Teufelsberg im Berliner Grunewald unter die Kategorie Lost Place bzw. genauer Abandoned Place mit Spuren des Verfalls und der Rückeroberung durch die Natur und ein El Dorado für street artists von internationaler Bedeutung.
Die Radomruinen sind eine der größten Street Art Gallerien weltweit. Eine beliebte Kulisse für Modeshootings, Filme (z.B. Der gleiche Himmel 2017; Staffel 1, 9. Episode von Berlin Station) und Musikvideoproduktionen.


Der konkrete Anlass meines jetzigen Besuches war ein Mural von Otto Schade, das er erst im Mai auf dem Teufelsberg gemalt hat. Ich habe Otto Schade in London in Aktion erlebt und wollte mir die drei Frösche ansehen, bevor sie wieder übermalt werden.

ribboned frogs Ca, Chi, Pun by Otto Schade

Die Entstehung des Teufelsbergs

Eigentlich interessant wird der Teufelsberg aber erst durch seine Geschichte, durch die ein Rundgang richtig spannend wird über die street art hinaus und ihn zu einem ganz besonderen Ort macht.

Das Fundament des Berges bildet der wenig zerstörte Rohbau der Wehrtechnischen Fakultät, der einer mittelalterlichen Festung gleicht.

geplanter Bau https://www2.hu-berlin.de/architekturen-der-wissenschaft/


Die Grundsteinlegung fand am 27. November 1937 statt und gehörte zur geplanten Hochschulstadt, die wiederum nur einen Teil der megalomanen Pläne Hitlers bildet, Berlin zur Hauptstadt und zum Mittelpunkt eines großgermanischen Reiches zu machen. Dazu sollte Hitlers Architekt Albert Speer die Stadt zu einer neuen repräsentativen Größe führen.

Alle öffentlichen Gebäude im XXL Ausmaß, die auf jeden Fall Gebäude wie den Arc de Triomphe in Paris oder den Petersdom in Rom mehrfach an Größe übertreffen sollten.
 Das neugestaltete Berlin sollte in Germania umbenannt werden, um Hitlers Anspruch auch begrifflich zu manifestieren.

Vergleichsgrößen des geplanten Triumphbogens und der geplanten großen Halle mit dem Berliner Schloss (Quelle: Wikipedia)

Zwischen Manifestation der Macht, Einschüchterung, Größenwahn und Hitlers Scheitern liegen 8 Jahre und aus der geplanten Germania wird eine Trümmerhauptstadt.

Der Senat beschließt die Anlage eines zentralen Restschuttablageplatzes über dem Rohbau der Wehrtechnischen Fakultät –
die Geburtsstunde des Teufelsbergs.
Bis zum 11. Dezember 1972 kippten 600 bis 800 Lastkraftwagen insgesamt 26.181.310 Kubikmeter Schutt auf. (Beckmann, Derksen u.a. nach Rabensaat, Teufelsberg Geschichte)
Seinen Namen erhielt er vom nahegelegenen Teufelssee.
Seit 1952 wurde er mit ca. 180.000 Bäumen aufgeforstet.

aktuelle Karte des Teufelsbergs

U.S. Field Station – The Hill

Auf den Trümmern des heißen Krieges zieht der Kalte Krieg ein.
Der 120,1 Meter hohe Trümmerberg weckt das Interesse der amerikanischen Besatzer, denn er liegt mitten im Herzen der DDR und war eine ideale Voraussetzung für das Abhören. Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre arbeiten sie auf dem Teufelsberg zunächst mit mobilen Überwachungsanlagen. Genehmigt von den Briten, in deren Sektor der Teufelsberg liegt.

Das Areal wird nach und nach mit Technik und Gebäuden aufgerüstet. Und mit markanten Radoms oder Radarkuppeln: Sie sehen aus wie überdimensionierte Golfbälle und sind weithin sichtbar. Es sind (bzw. waren) geschlossene Schutzhüllen, die Antennen für Datenübertragungen vor äußeren mechanischen und chemischen Einflüssen wie Wind oder Regen schützen.

Field Station 1979
Radoms auf dem Teufelsberg heute ( Juli 2023)

Auf dem Gelände arbeiten rund 1000 Amerikaner und bis zu 500 Briten. Täglich, rund um die Uhr. Getrennt voneinander. Es war ein drei Schichten Betrieb von je acht Stunden. In fensterlosen Gebäuden, ohne Tageslicht, in Räumen voller Technik. Einzig die Kantine verfügt über Fenster.
Am Ende jeder Schicht werden Papiere vernichtet.

Im Hintergrund steuert die NSA (National Security Agency), Amerikas größter Geheimdienst die amerikanische Arbeit. Der Teufelsberg gehört zu seinem weltweiten Abhörnetz ECHELON.
Die Analysten der NSA werten das Material vom Teufelsberg in den Vereinigten Staaten aus. 

Deckname Blitz und Paul

Der DDR Staatssicherheit blieben die Aktivitäten auf dem Teufelsberg nicht verborgen und sie versuchten auch über Anwerbung von Spionen an geheime Informationen zu kommen.
Und es gelang ihnen Anfang der 80er.
Über Geld als Anreiz. Zwei Informanten finden sich. Einer ist Hüseyin Yildirim. Deckname Blitz. Der gebürtige Türke arbeitet in den 80er-Jahren in Autowerkstätten für amerikanische Soldaten. Er hat gute Kontakte und stellt den Kontakt zu James W. Hall her. Hall arbeitet direkt auf dem Teufelsberg. Und er hat Zugang zu sensiblen Dokumenten. Auch er will Geld verdienen, bietet seine Dienste zeitweise der DDR und dem KGB gleichzeitig an. Tausende geheime Dokumente wechseln die Seite – in einer simplen Sporttasche mit doppeltem Boden trägt Hall die Dokumente aus dem fensterlosen Spionagezentrum.

Und hier der Link zu Paul:
https://www.spiegel.de/video/nsa-stasi-spion-vom-teufelsberg-video-99012391.html?sara_ref=re-xx-cp-sh

Die beiden DDR-Agenten fliegen Ende der 80er-Jahre auf und werden verurteilt. James W. Hall saß bis 2011 in einem US-Gefängnis. Er verschaffte der DDR entscheidende Dokumente vom Teufelsberg.
Hüseyin Yilidirim wird im November 2003 aus der Haft entlassen mit der Auflage, dass er den Rest der Strafe in der Türkei verbüßen muss. Die Türkei ließ ihn aber gleich am nächsten Tag frei.

Die Field Station Berlin war die größte Abhörstation auf deutschem Boden.
Mit dem Ende des Kalten Krieges im Jahre 1989 endete dort auch der Spionagebetrieb. Die Konfrontation der beiden politischen Blöcke, die vier Jahrzehnte lang das Weltgeschehen bestimmt hatte, löste sich auf. Die bisherigen Betreiber, die alliierten Streitkräfte der Briten und Amerikaner, verließen die Station.
Sie gaben im Jahre 1992 das Gelände ihres jahrzehntelangen Einsatzortes an den Senat von Berlin zurück.
Die geheimen Protokolle des Teufelsberg sind bis zum heutigen Tag top secret.

Diese beiden Murals befinden sich an gegenüberliegenden Wänden.

Weitere Nutzung

Dieser Ort hat wieder eine Zukunft. Diese Gebäude, diese Geschichte, nicht nur Berlins, müssen wir bewahren. Gleichzeitig müssen wir sie in Einklang bringen mit der sie umgebenden Natur und wir müssen darauf achten […], dass es finanzierbar ist.

Volker Hessemer, Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz 1992
(nach: Geheimnisvolle Orte: Der Teufelsberg vom 11.04.2023)

Das war die Position des Senats zur weiteren Gestaltung des Teufelsbergs. Mein Eindruck ist, dass der Aspekt der Finanzierbarkeit zum bestimmenden Faktor wurde.

  • 1996 verkaufte die Stadt das 4,7 Hektar große Gelände für die Spottsumme von 5,2 Millionen D-Mark an die Investorengruppe um den Kölner Architekten Hartmut Gruhl und den Planer Hanfried Schütte.
    Geplant war die Errichtung von Eigentumswohnungen, Restaurants, Sportanlagen, eines Fünf-Sterne-Hotels, sowie eines Spionagemuseum unter Beibehaltung der markanten Kuppeltürme.
    Ursprünglich vorgesehener Baubeginn war 1998. Das Bauprojekt scheiterte wegen des massiven Widerstandes von Umweltschützern und an den explodierenden Baukosten. Der Investor meldete Insolvenz an.
    Außer einigen Fundamenten und einer Musterwohnung wurde nichts realisiert.
  • Am 1.11.2005 beschloss der Senat den neuen Flächennutzungsplan, in dem der Teufelsberg insgesamt als Wald ausgewiesen ist.
  • Im November 2007 legte die Maharishi-Weltfriedensstiftung mit ihrem Meditationslehrer Raja Emanuel Schiffgens und ihrem prominenten Mitglied, dem Hollywood-Regisseur David Lynch (Blue Velvet, Twin Peaks) auf dem Plateau den Grundstein für den Bau einer Universität – Universität des unbesiegbaren Deutschlands – mit einem 50 m hohen Turm der Unbesiegbarkeit. Als sie in der Urania das Projekt vorstellten, kam es zum Eklat.
    In völliger Unkenntnis der deutschen Geschichte und insbesondere der Geschichte des Teufelsbergs, klangen die Ausführungen sehr nach alten Naziparolen. Das wollte sich das empörte Publikum nicht anhören.
    Das Projekt scheiterte. Eine Baugenehmigung für ein Grundstück im Wald wurde nicht erteilt.
    Und David Lynch verließ Berlin in der weißen Stretchlimousine, in der er gekommen ist.
  • Am 19.3.2012 stellte Architekt Hartmut Gruhl neue Pläne seiner Investorengemeinschaft vor, nach denen eine Aussichtsplattform mit Café, ein Ausflugslokal, Veranstaltungssäle und ein Museum mit einem historischen Parcours entstehen sollte. Vom Parkplatz an der Teufelsseechaussee sollte ein Elektro-Shuttlebus die Besucherinnen und Besucher nach oben bringen. Aber auch dieses Projekt wurde nicht realisiert.
    Nach Auffassung des Bezirksamtes genießt die jetzige Bebauung zwar Bestandsschutz, aber eine Neubebauung kommt nicht infrage, denn es handelt sich bei dem Gelände um Wald.
  • Die SPD-Fraktion der BVV initiiert im Mai 2013 einen runden Tisch, an dem alle Interessengruppen versuchen sollen, einen tragbaren und realisierbaren Kompromiss zu finden.
  • Die Spionageanlage und der Teufelsberg stehen seit 2018 unter Denkmalschutz.
El Bocho
  • Die BZ berichtet am 26.09.2022, Hartmut Gruhl (81) sei seit einem Jahr im Gespräch mit Senat, Bauexperten und Denkmalschützern. Er plane die vom Verfall bedrohten Gebäude vor weiterem Vandalismus zu schützen und schrittweise denkmalgerecht zu sanieren. In den vorhandenen Bauten sollen Räume für Ausstellungen und Veranstaltungen entstehen – inklusive Gastronomie und Sanitäranlagen.

    Tja, man wird sehen, ob und wann daraus etwas wird.

Inzwischen genießen die Berliner den Grunewald mit Teufelssee und Drachenberg weiterhin als Naherholungsgebiet zum Spazierengehen, Mountain Biken. Der Deutsche Alpenverein betreibt einen Kletterfelsen und der Drachenberg  dient bei entsprechenden Windverhältnissen als Übungsgelände für Drachen- und Gleitschirmflieger.

Seit 2011 gibt es – auf Anregung von Andreas Jüttemannreguläre Führungen.
Man kann von den S-Bahnhaltestellen Heerstrasse oder Grunewald in ca. 30 Minuten hinlaufen an der Straße entlang oder durch den Wald. Oder für den doppelten Preis einen bequemen Shuttle-Service mit Führung in Anspruch nehmen. Ich habe meine Tour bei Secret Tours Berlin gebucht und war sehr zufrieden mit der kompetenten Führung und dem angenehmen Shuttle-Service!

Mich hat die street art gallery an diesem historischen Ort fasziniert, die man sich unbedingt anschauen sollte. Das Zusammenspiel von Geschichte, street art und atemberaubenden Blick ist einzigartig.

An Wochenenden und Feiertagen ist eine Bar geöffnet, die Wasser, Softgetränke, Bier und Radler anbietet.  

Die Teufelsberg-Website wirbt auch für sommerliche private Veranstaltungen: Open-Air Dinner über den Dächern der Hauptstadt, Lost Place Apero in unserer Street Art Galerie, Geburtstagsfeier in der alten Spionagekantine – wir machen es möglich.

Eine Feier in der Spionagekantine würde mich nicht reizen, aber ich möchte auf jeden Fall mal zum Sonnenuntergang das Gelände fotografieren. Und dann gerne einen Apero zu mir nehmen.

Mural von #dankitchener

10 Replies to “Der Teufelsberg – Abhörstation während des Kalten Krieges”

  1. Liebe Barbara,

    wieder einmal ein grandioser Beitrag. Damit hast du diesen Begriff Teufelsberg mit Wissen gefüllt. Es ist wieder einmal beeindruckend, wie es dir gelingt, den historischen Hintergrund mit Bildern von heute so harmonisch zu einem Ganzen zusammen zu fügen.
    Lange Zeit glaubte man, die Zeiten des kalten Krieges sind vorbei und vergessen – um so deutlicher wird einem mit deinem Beitrag vor Augen geführt, dass man – bedingt durch aktuelle Ereignisse – sich möglicherweise wieder dieser alten „Rituale“ bedienen muss.
    Vielen Dank, liebe Barbara. Ich bin schon auf deinen nächsten Beitrag gespannt.
    Angelika

    1. Liebe Angelika,

      herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Es freut mich, dass dir mein Beitrag wieder gefällt.
      Während des Kalten Krieges lief die Spionagetätigkeit auf beiden Seiten der Machtblöcke auf Hochtouren, wie etliche Filme und zahlreiche Romane, die ich sehr gerne gelesen habe, anschaulich darstellen.
      Heute scheint Spionagetätigkeit wieder wichtiger denn je und wird mit den technisch neuesten Mitteln betrieben. Ob das unser Leben sicherer macht?

      Liebe Grüße
      Barbara

  2. Liebe Barbara,

    ein – wie gewohnt – spannender Beitrag, der die Geschichte dieses Ortes, der fast schon skuril anmutet, toll einfängt.
    Bei meinen beiden Besuchen vor Ort gab es immer wieder Neues zu entdecken; gut, dass der Investor seine Pläne nicht final durchsetzen konnte, wenngleich die Wertschätzung der derzeitigen Politik auch (noch?) zu gering ist.
    Beste Grüße
    Daniel

    1. Lieber Daniel,

      danke für deine Rückmeldung. Wenn man die Geschichte des Berges in vollem Umfang kennt, kann man erst richtig schätzen, wo man da umherläuft. Dazu die eindrucksvolle street art, die geradezu außerirdisch wirkenden Radoms begleitet von dem weiten Blick, das ist ein nachhaltiges Erlebnis.
      Ich bin sehr froh, dass ich es bei diesem Besuch geschafft habe und freue mich schon auf das nächste Mal.

      Liebe Grüße
      Barbara

  3. Super, lb. Barbara.
    Hatte noch nie vom Teufelsberg und seiner Geschichte gehört.
    Vielen Dank und liebe Grüße aus Köln von
    ria lanfermann

    1. Liebe Ria,

      es freut mich, dass ich Sie mit einem Beitrag überraschen konnte! Für mich war auch vieles neu, vor allem diese street art gallery, die Radarkuppeln zu sehen und die Aussicht zu genießen, war ganz wunderbar.

      Liebe Grüße
      Barbara Habner

  4. Liebe Barbara,
    diese alten Relikte aus dem kalten Krieg haben oft einen morbiden Charme. Ich glaube, das ist auch bei dem Teufelsberg der Fall. In der Rückschau kommt einem der seinerzeitige Abhörwahn von West und Ost fast schon absurd vor. Heute sind es verlassene Plätze und man fragt sich, was man damit anstellen soll. Ich finde, Kultur und Biergarten sind ein angemessenes Programm. Wieder ein sehr informativer Beitrag!

    Liebe Grüße Rainer

    1. Lieber Rainer,
      ich finde auch, dass der Teufelsberg vor Vandalismus geschützt werden sollte und eine behutsame Nutzung erfahren sollte. Andererseits darf das Naherholungsgebiet nicht gefährdet werden.
      Ich habe einen spannenden Vormittag dort verbracht und werde die weitere Entwicklung des Teufelsbergs aufmerksam verfolgen.

      Liebe Grüße
      Barbara

  5. Was Du alles entdeckst, liebe Barbara! Und wie Du Dich mit der Geschichte des „Kalten Krieges“ beschäftigt hast, ist schon bewundernswert. Klar, kann man auch alles irgendwo nachlesen, aber in so kompakter und dann noch bebilderter Form, das ist einfach genial!
    Danke für diesen „Service“, den man selbst als alte Historikerin zu schätzen weiß.

    1. Liebe Ulrike,

      danke für deine prompte Rückmeldung!
      Ich wollte schon länger mal zum Teufelsberg. Jetzt endlich ist es passiert. Die Führung war sehr kenntnisreich und hat uns auf den Trümmerberg auf den Ruinen der Wehrtechnischen Fakultät aufmerksam gemacht. Dann habe ich natürlich „gegraben“ und wie du weißt, kommt es immer auf die Stichwörter an, die man eingibt. Einen guten Überblick gibt die rbb Sendung „Geheimnisvolle Orte“ zum Teufelsberg. In der Mediathek. – Es war wie meistens sehr aufwändig, aber auch sehr spannend. Und die Street Art ist großartig. Fahr mal hin!

      Liebe Grüße
      Barbara

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert