Drei Wochen Großbritannien – Belfast, London, Cornwall

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Warum diese drei verschiedenen Locations?

Die Reihenfolge habe ich nach folgenden Prinzipien ausgewählt:

  • eine unbekannte Stadt entdecken (Belfast)
  • eine bekannte Stadt erleben und sich von neuen Facetten überraschen lassen (London)
  • eine bekannte und sehr liebgewonnene Landschaft nach vielen Jahren wieder  besuchen und genießen (Cornwall)       

Die Sommerzeit war für mich auch klar, da ich gerne im Sommer ins Globe Theatre in London gehe und die vielen Möglichkeiten draußen nutzen möchte. Die Vielzahl der Touristen nehme ich in Kauf. Denen geht’s vermutlich wie mir.

Großbritannien besuchen in der heißen Phase des Brexit?

Dass ich  in Zeiten des Brexit  vielleicht überhaupt nicht nach Großbritannien fahren könnte, kam mir nicht in den Sinn.

Schließlich war ich das erste Mal 1968 in England, als Großbritannien noch nicht zur EU gehörte, ich Einreiseformulare und Zollerklärungen ausfüllen musste und die ganze Insel  im Duodezimalsystem rechnete (ein britisches Pfund bestand aus 20 Shillings, die jeweils aus 12 Pence bestanden und es gab entsprechende Münzen: threepence, sixpence, half crown und mehr).

Ich war  wieder von der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Menschen begeistert, und solange es auf der menschlichen Ebene stimmt, werde ich weiter nach Großbritannien reisen.

Ich beschreibe, was ich an den drei Locations unternommen habe und füge ein paar Fotos als Appetithappen hinzu, bevor ich euch einzelne Aspekte in eigenen Beiträgen vorstelle.

Belfast

Die Hauptstadt Nordirlands will ich schon seit dem Friedensabkommen (Good Friday Agreement) von 1998 zwischen der Republik Irland, dem Vereinigten Königreich und den Parteien Nordirlands zur Beendigung des Nordirlandkonflikts (the Troubles) besuchen.

Nun hat es zum 50. Jahrestag des Beginns der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen britisch-protestantischen und irisch-katholischen Kräften endlich geklappt.

Das Jahr habe ich nicht unbeabsichtigt ausgesucht.
Und es hat sich in Gesprächen gezeigt, dass Menschen in den irisch-katholischen Stadttteilen Sorge haben, was aus dem Friedensprozess wird, wenn der harte Brexit ohne den backstop  vollzogen wird: die historisch sensible Grenze  könnte  alte Konflikte zwischen Nordirland und Irland  neu aufflammen lassen.

Wenn man nach Belfast kommt, hat man den Eindruck, alle Nordiren hätten nur darauf gewartet, dass man ihre Hauptstadt besucht. Ein herzliches Willkommen wird immer von drei Fragen begleitet:

Where are you from? Do you like it? Are you enjoying yourself?

Ich hatte großes Glück mit dem Wetter.
An den Tagen, wo ich besonders viel draußen vorhatte, schien die Sonne:

  • bei der Tagestour zum Giant’s Causeway und der
  • Carrick-a-Rede Hängebrücke im County Antrim.
  • Auf dem Mural Walk in der Falls Road (vorwiegend irisch-katholisches Wohnviertel) in Westbelfast .
  • Bei der Bootstour auf dem Lagan.
  • Und bei der Foodtour, wobei wir da häufig zum Probieren in verschiedenen Geschäften oder auf dem
    St. George’s Market waren.

Dagegen regnete es heftig bei meinem Titanic-MuseumsBesuch.
Ich habe die Stadt ausschließlich zu Fuß erkundet, erstaunlich viel street art gesehen und bin in ein paar traditionsreiche  Pubs eingekehrt.

 

London

In London hatte ich mir nur drei  Veranstaltungen vorgebucht und alles andere auf mich zu kommen lassen. Ich habe für London jede Menge Ideen. Meistens setze ich nur ein paar davon um, weil ich keine Lust habe, durch die Stadt zu hetzen und To-Do-Listen abzuhaken. Ich mag beobachten, Atmosphäre einfangen, verweilen, fotografieren und mit Menschen ins Gespräch kommen.

Meine Vorbuchungen:

  • den Sky Garden in 20 Fenchurch Streetthe Walkie -Talkie
  • The Comedy of Errors im Globe Theatre
  • St Paul’s  Summer Lates – Eintrittskarte für eine Abendbesichtigung (ab 19 Uhr), die es nur in den Sommermonaten an bestimmten Abenden gibt. Gekoppelt habe ich das mit dem Evensong, der zeitlich genau davor lag (18 Uhr).

Ich finde es schön, wenn ich jedes Jahr  in London bin, liebgewonnene Sehenswürdigkeiten – wie Tower Bridge und St. Paul’s Cathedral – wiedersehe oder zu einer Shakespeareaufführung ins Globe  Theatre gehe.
Ich schlendere durch Spittalfields und Shoreditch und fotografiere neue street art, die an Stelle der alten vom Vorjahr getreten ist.
Die City mit ihrer kontrastreichen Architektur ist immer wieder anregend und spannend.
Mein Weg führt mich auch regelmäßig in die National Portrait Gallery, wo es spektakuläre Ausstellungen gibt, die mich als Fotografin inspirieren.
Und ich liebe es, mich an der South Bank entlang treiben zu lassen (so ab dem London Eye), bis ich über die Tower Bridge gehe und bei meinem Hotel oder im Pub ankomme.

Ich wollte endlich mal  Harrod’s beeindruckende Food Hall  live sehen, wieder auf den Borough Market gehen, Nottinghill entdecken und die blaue Tür aus dem Film fotografieren,  durch Virginia Woolfs Bloomsbury spazieren und  wieder mit dem Boot fahren. Dazu kam es aber dieses Jahr nicht!

Dafür habe ich spontan an zwei Walking Touren teilgenommen: der Magical Mystery Tour  und Shakespeare’s Shoreditch. Die Beatles Tour fand ich mittelmäßig, die Shakespeare Tour sehr informativ. Mit einer kenntnisreichen und engagierten Führerin: Katie’s Walks sind historisch orientiert mit interessanten Schwerpunkten.
Überraschend für mich, dass die ausdruckstarke street art in Shoreditch und Shakespeare hier zusammen gefunden haben!
In der National Portrait Gallery habe ich mir die Cindy Sherman Ausstellung angesehen und die Portraits des B P Portrait Award.
Einen Tag habe ich in Kingston Upon Thames verbracht. Hauptsächlich, um die Skulptur Out of Order von David Mach zu fotografieren. In dem Marktstädtchen gibt es aber auch schöne Geschäfte und Cafés am Wasser.
Einige Zeit habe ich auf die Architektur von Bahnhofshallen verwandt: King’s Cross, St.Pancras, Paddington und Waterloo. Und dort einen Abstecher in den Leake Street Tunnel gemacht, wo es ständig neue street art gibt. Meistens trifft man einen Künstler in Aktion, der gerne Auskunft über sein Kunstwerk gibt.

 

Cornwall

Von Paddington Station bin ich nach Truro in Cornwall mit der Bahn gefahren – am Bank Holiday Wochenende! Der Zug war voll. Die Leute standen bis Exeter in den Gängen, und der Getränketrolley kam erst ab Plymouth durch. Ich hatte meine Platzkarte und versorge mich grundsätzlich selbst an Bord eines Zuges. Trotz der Fülle war die Fahrt pünktlich und angenehm, und ich hatte unaufgefordert Hilfe mit meinem Koffer.

Die Taxifahrt zum Merchant House Hotel  kostete nur  £ 3.60. Es ist ein altes, renoviertes  Hotel mit schönen Aufenthaltsräumen, zuvorkommendem Personal und einem guten Frühstück in vielen Varianten.

Ich war das letzte Mal vor 15 Jahren in Cornwall. Davor sehr oft. Und die Erinnerung an die vielen, schönen Aufenthalte in Cornwall und Devon machten mich ein bisschen wehmütig. Gleichzeitig war ich hier hauptsächlich zum Fotografieren. Eine anregende, spannende Herausforderung!

Truro war der Ausgangspunkt einer einwöchigen Fotoreise mit Freiraum Fotografie. Wir waren eine 6-köpfige Gruppe unter der Leitung und fotografischen Begleitung von Roman Kaltenpoth.
Schwerpunkt der Reise war die Landschaftsfotografie mit blauer Stunde, Sonnenauf-und Untergängen, Langzeitbelichtung am Tage. 

Und die Landschaft in Cornwall ist üppig:
schroffe Steilküsten und lange Sandstrände. Saftige Wiesen und blühende Heide. Leuchttürme, beschauliche Fischerorte und romantisch anmutende Ruinen.

Die kulinarische Seite und das gemütliche Beisammensein in der harmonischen Gruppe haben wir reichlich genutzt. Und beim Schlendern durch die Fischerdörfer fiel so manch ein gutes Street Foto ab.

Cornwalls landschaftliche Schönheit kann nicht über die bevorstehenden Veränderungen durch den Brexit hinwegtäuschen.
Die überwiegende Mehrheit der cornischen Bevölkerung hat für den Brexit gestimmt. Und wie der Kellner in einem Pub mir sagte, sich dabei ins Knie geschossen, weil manch einem dämmert, dass  die  EU Gelder dann nicht mehr fließen werden, von denen die Landwirtschaft bisher profitiert hat.

Cornwall is not a good place to live at the moment.

Sagt mir der Kellner. Und wird nach Spanien auswandern. Traurig!

Gerade in dieser ungewissen Zeit möchte ich keine meiner erlebnisreichen Wochen  missen: das rauhe, herzliche Belfast; das weltoffene London; und Cornwall – ein Fest für alle Sinne!

8 Replies to “Drei Wochen Großbritannien – Belfast, London, Cornwall”

  1. Liebe Barbara,
    auch diese Eindrücke von den drei unterschiedlichen Orten sind visuell wieder total gut eingefangen. Tja, die Erkenntnis des Kellners in Cornwall dürften in Zukunft noch manch andere Leute teilen. Die Folgen politischer Fehlentscheidungen werden in jedem System – sei es auch noch so demokratisch – nach „unten delegiert“.

    1. Lieber Rainer,
      danke für deinen Kommentar. Es hat mich traurig gemacht zu hören, dass jemand sich in seinem Land nicht mehr wohlfühlt und deshalb auswandert. Gleichzeitig war es eine bereichernde Erfahrung. Ich mag Großbritannien sehr und werde auch weiter hinfahren.

  2. Dear Barbara,
    congratulations on this wonderful collection!
    Next time Scotland, where the majority is against Brexit!
    Your Scottish friend,
    Bob

    1. Dear Bob,
      thanks for your feedback. It means a lot to me. And you are right: next time definitely Scotland. Maybe I can ask you for recommendations beforehand?
      Yours, Barbara

  3. Liebe Barbara,

    was für eine Vielfalt!
    Ich finde es gut, dass du gerade trotz Brexit dem Land treu bleibst und vor allem, so wie dein Bericht gut zeigt, die Menschen im Blick behälst.

    1. Lieber Daniel,
      danke. Die Menschen sind mir auf jeder Reise wichtig. Hier war es besonders spannend, mit den Leuten behutsam über den Brexit zu sprechen. In Nordirland sind die Menschen besonders betroffen und dem Ausgang der Brexitverhandlungen ausgeliefert. Gleichzeitig hat mich das Gespräch mit dem jungen Kellner aus dem Pub in Truro sehr angerührt. – Und ich habe mich über das heutige Urteil des Supreme Court in London gefreut.

  4. Liebe Barbara, wie immer gelingt es dir WUNDERBAR, die Leserin und Betrachterin deiner Reiseerlebnisse mitzunehmen und zu beeindrucken! Da erwacht die Lust, loszufahren und der Inspiration zu folgen…
    Eine Reise nach England steht auf meiner Wunschliste, mit dem Campingbus wird das sicher auch etwas Besonderes.

    1. Liebe Lisa,
      danke für deine Rückmeldung. Es freut mich, dir den Mund wässrig gemacht zu haben. Großbritannien hat so viele schöne Ecken! Mit dem Campingbus ist es auf jeden Fall trocken – und seit ein paar Jahren kann man auch problemlos einen Hund mitnehmen. Warten wir mal ab, wie’s politisch weitergeht.

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