Wien sehen, hören, schmecken
Architektur und Kunst für die Augen, klassische Musik für die Ohren und Kaffeehauskultur für den Gaumen – der Glanz der ehemaligen Donaumonarchie spiegelt sich wider!
Auffällig und wohltuend zugleich ist die natürliche Freundlichkeit, Umsicht und Wertschätzung des Personals im Hotel, an den Ständen auf dem Markt, in Geschäften, in Cafés. Selbst in der U-Bahn heißt es in der Ansage vor der Warnung vor dem Spalt zwischen Bahn und Bahnsteigkante Seien Sie achtsam.
Es herrscht eine gelassene Atmosphäre, eingerahmt von vielen Sprachen, wobei Italienisch, Tschechisch, Ungarisch und Russisch häufiger zu hören sind als zum Beispiel Englisch.
Stadtrundgang am Silvestertag
Die Wiener Innenstadt lässt sich leicht zu Fuß entdecken. Orientierung gibt der innere Ring und der Stephansdom als Mittelpunkt der Altstadt mit seiner Fußgängerzone (Kohlmarkt, Graben, Kärntner Straße).
Ausgangspunkt meiner Erkundung ist der Schottenring, wo mein Hotel liegt. Vorbei an der Universität, dem Rathaus, Burgtheater und Parlament. Durch den Volksgarten, die Hofburg, den Kohlmarkt und Graben entlang zum Stephansdom. Dort in der Nähe habe ich mich bei Kaffee und Kuchen gestärkt und bin dann über die Kärntner Strasse, den neuen Markt, den Albertinaplatz und Burggarten wieder zurück mäandert.
Silvester und Neujahr musikalisch und kulinarisch begehen
Auf Anraten des freundlichen Personals an der Rezeption meines Hotels habe ich mir den Silvesterpfad beim Frühstück in der Zeitungsbeilage angeschaut. Die Wiener Innenstadt verwandelt sich in eine einzigartige Partymeile. Auf jedem Platz findet ein eigenständiges Programm statt, sodass man sich ab 14 Uhr von Event zu Event treiben lassen kann.
Allen Plätzen ist gemeinsam: das neue Jahr wird traditionell mit dem Donauwalzer von Johann Strauss eingeleitet.
Beschwingt im 3/4 Takt ins neue Jahr zu tanzen hat Charme und Eleganz!
Ich hatte schon gehört, dass es z.B. am Stephansdom sehr voll sein würde, sodass meine Wahl auf den Rathausplatz fiel. Einmal, weil er um die Ecke vom Hotel liegt. Zum anderen, weil dort ein 10-minütiges Feuerwerk stattfindet.
Vorher servierte das Hotel Regina ein abwechslungsreiches Silvester-Menü, das Gaumen und Augen gleichermaßen verwöhnte.
Am Neujahrsabend erlebte ich Beethovens 9. Symphonie und Schillers Ode an die Freude mit den Wiener Symphonikern im Großen Saal des Wiener Konzerthauses. Die Symphonie ist ein Neujahrsklassiker, den ich schon oft gehört habe. Hier in Wien ist er besonders eindrucksvoll.
Diese Symphonie mit ihrem Aufruf zu Humanität und friedlichem Miteinander ist passend für einen gelungenen Start ins neue Jahr!
Der zweite Tag im neuen Jahr
Eine Fahrt in den Wienerwald:
Stift Heiligenkreuz und Jagdschloss Mayerling
Klöster gehören in Österreich zur Landschaft und Kultur
Das Stift Heiligenkreuz ist ein Kloster der Zisterzienser bei Heiligenkreuz im Wienerwald. 15 km von Wien entfernt. Es besteht ohne Unterbrechung seit seiner Gründung im Jahr 1133 und ist damit – nach dem Stift Rein – das weltweit zweitälteste durchgehend seit der Gründung bestehende Zisterzienserkloster.
Gebet und Arbeit (Ora et Labora) bestimmen den Tagesablauf der Mönche, wobei das Gebet Kern des Klosterlebens ist und die Struktur des Tages vorgibt. Der beginnt vor 5 Uhr und endet gegen 20.15 mit dem nächtlichen Schweigen. Die Heiligenkreuzer Zisterzienser sind dem lateinischen Chorgebet in gregorianischem Choral verpflichtet.
Gearbeitet wird zwischen 8 und 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr. Es gibt vielfältige Aufgaben und Arbeitsbereiche. Ein wichtiger Bereich für jüngere Mönche ist das Theologiestudium an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz. Gleichzeitig wird auch auf sportlichen Ausgleich geachtet:
Im Kloster gibt es einen gut ausgestatteten Fitnessraum,
damit sich die (jungen) Mönche austoben können.
(https://www.stift-heiligenkreuz.org/klosterleben-der-moenche/wer-sind-wir/).
Frater Leopold hat uns durch die wunderschöne mittelalterliche Klosteranlage geführt, bevor er wieder pünktlich zum Gebet eilen musste. Seine Ausführungen waren informativ und aufschlussreich. Ich bedanke mich, dass ich das Foto mit ihm an dieser Stelle veröffentlichen darf. Danke auch, dass Sie mir bei ein paar Erinnerungslücken auf die Sprünge geholfen haben!
Am Ende der Führung war ich ziemlich durchgefroren und habe mein Wiener Schnitzel und ein Klosterbräu im Klostergasthof genossen.
Karmel Mayerling – Jagdschloss von Kronprinz Rudolf
Karmel? Was bedeutet Karmel?
Ein Karmel ist der Ort des Ordens der Karmelitinnen oder Karmeliten, benannt nach dem Berg Karmel in der Nähe von Haifa. Dort haben sich im 12. Jahrhundert Eremiten niedergelassen. Ihre spirituellen Erfahrungen flossen in die Gründung des Karmeliterordens ein. Entsprechend lautet der Grundauftrag der Karmelitinnen in Mayerling:
In großer Einsamkeit und in völliger Abtrennung von der Welt dem Wort Gottes zu lauschen und den erhabensten Schatz, die kostbare Perle seines Reiches zu suchen.
(Zit. nach https://www.karmel-mayerling.org/das-kloster/#grundauftrag)
Das Kloster in Mayerling wurde von Kaiser Franz Joseph I. 1889 gestiftet nach dem tragischen Tod seines Sohnes, Kronprinz Rudolf. Es steht unter dem Patronat des hl. Josef und ist durch seine Gründungsgeschichte ein Ort der Sühne geworden, nicht nur für das schicksalhafte Ereignis des Kaiserhauses, sondern stellvertretend für die ganze Welt. (https://www.karmel-mayerling.org/das-kloster/)
Die Abtrennung von der Welt ist wörtlich zu nehmen. Die Nonnen führen hinter den Klostermauern ihr Leben, offenbar unbemerkt oder „vergessen“, wie es in der Sendung des ORF Daheim in Österreich heißt.
Bis Priorin Regina sich in bitterer Not an die Welt außerhalb der Klostermauern wandte, das Kloster seit 2013 eine Restaurierung erfuhr und 2014 ein sehenswertes Besuchs-und Informationszentrum entstand.
Die Mayerling – Tragödie
Am 28. Januar reist Rudolf mit seiner Geliebten Baronesse Mary Vetsera nach Mayerling.
In den Morgenstunden des 30. Januar werden beide tot in Rudolfs Schlafzimmer aufgefunden. Dort, wo heute die Kirche des Karmelklosters steht.
Die Umstände scheinen bis heute nicht ganz eindeutig geklärt zu sein. Es gibt mehrere Hypothesen, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte.
Jedenfalls erlag Kronprinz Rudolph keinem Herzinfarkt, wie es die offizielle Hofberichterstattung darstellt und von der Wiener Zeitung am 31. Januar 1889 übernommen wird.
Und seine Geliebte hat ihn nicht mit Zyankali ermordet. Mary Vetsera war das tragische Opfer, das vom Hof geleugnet bzw. diffamiert wurde.
Zum Heurigen nach Grinzing
Nach dem tragödienreichen Ort Mayerling und zwei Begegnungen mit dem Klosterleben war der Schoppen Wein in Grinzing beim Alten Bach-Hengl auf der Rückfahrt nach Wien ein mehr als willkommener Ausgleich und passender Rahmen für das Wiedereintreten in die profane Welt.
Der letzte Tag meiner Wienreise
Barock und Wiener Jugendstil:
Karlskirche und Secessionsgebäude
Dass ich mir die Karlskirche und das Secessionsgebäude mit dem Beethoven – Fries von Gustav Klimt als letzte Höhepunkte meiner Wienfahrt ausgesucht habe, liegt zum einen an meinem Interesse am Jugendstil und dem Wissen um die Bedeutung der Karlskirche. Außerdem ergänzt sie in der Baustilentwicklung perfekt die romanische Heiligenkreuzkirche mit gotischer Erweiterung.
Zum anderen war es eine klare logistische Entscheidung: beide Gebäude liegen in unmittelbarer Nähe zueinander und nur zwei U-Bahnstationen vom Hauptbahnhof entfernt. Ich hatte 5 Stunden Zeit für zwei Besichtigungen, bis mein Zug nachmittags abfuhr. Da konnte ich mit Muße den Augenschmaus genießen!
Die Karlskirche – eine Votivkirche zu Ehren des Pestheiligen Karl Borromäus
1713 -14 wütete die Pest in Wien. Danach ließ Kaiser Karl VI. (1685-1740) eine Votivkirche zu Ehren des Pestheiligen Karl Borromäus auf einer Anhöhe auf halbem Weg zwischen Hofburg und kaiserlicher Sommerresidenz errichten. Nach über 20 Jahren Bauzeit wurde sie am 28. Oktober 1737 geweiht.
Die Außenfront vereinigt Stilelemente unterschiedlicher Epochen und Kulturen: ein griechisch-römischer Tempel als Porticus, die großen Säulen und viele Kuppeln als Ausdruck byzantinischer und osmanischer Baukunst, eine barocke Hauptkuppel.
In der Kombination historischer Versatzstücke fügt der Architekt Fischer von Erlach drei Botschaften harmonisch zusammen:
die Verherrlichung des Kaisers, die Verteidigung des katholischen Glaubens
und den Dank für die Errettung von der Pest.
(Zit. nach Broschüre Karlskirche Wien , hrsg. vom Verein der Freunde und Gönner der Karlskirche Wien, S.11)
In dieser Reihenfolge!
Der Innenraum ist ein Fest für die Augen: die raffinierte Dramaturgie der Lichtverhältnisse, die kolossalen Marmorsäulen, das luftige, farbenfrohe Fresko im Deckengewölbe und das erstaunliche Längsoval der Kuppel. All das zusammen ergibt eine Leichtigkeit und Freude in der Bewegung nach oben, Richtung Himmel, die im Hochaltar ihren Höhepunkt findet.
Wow, was für eine Inszenierung!
Ergänzt wird diese Inszenierung durch das 2018 etablierte Projekt Karlskirche Contemporary Arts. Dieses Projekt gibt international anerkannten Künstlern die Gelegenheit, raumgreifende Installationen im Dialog mit der Architektur und barocken Ausstattung der Karlskirche zu gestalten.
Aerocene von Tomás Saraceno ist ein wissenschaftliches Projekt, das politische, ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Fragestellungen aufwirft.
Was mich als Fotografin besonders beeindruckt, ist die Aufforderung
[…] den Raum […] anders zu betrachten und neue Denkräume zu öffnen.
(Zit. nach Flyer Karlskirche Contemporary Arts)
Es hat mir sehr großes Vergnügen bereitet, beim Rundgang immer wieder neue An- und Aussichten im Bild festzuhalten und über die vielfältigen Facetten, mit der die sphärische Skulptur die Karlskirche abbildet, zu staunen.
Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit
Unter diesem an der Fassade des Secessionsgebäudes angebrachten Motto steht seine Architektur für die künstlerische Aufbruchsstimmung um 1900. Die Funktionalität und ästhetische Eleganz des Jugendstil -Gebäudes bietet damals wie heute einen gelungenen Rahmen für zeitgenössische Kunst.
Was mich schon an dem Jugendstilgebäude der Thielska Galleriet in Stockholm begeistert hat, begeistert mich auch am Secessionsgebäude: weiß, lichtdurchflutet mit feinen Ornamenten, klaren Strukturen. Das besondere in Wien: die goldene Blattwerk-Kuppel (auf wienerisch: das goldene Krauthappl), die weithin sichtbar als Symbol für die Moderne steht.
Klimt im Keller: Der Beethoven – Fries im Souterrain der Secession
Was läge näher als meine Reise mit Beethoven zu beenden, der mich schon musikalisch am Neujahrstag begleitet hat?
Gustav Klimts Beethovenfries erzählt die Suche nach dem Glück in Bezug auf Richard Wagners Interpretation von Beethovens 9. Symphonie.
Schwebende Genien als Sinnbild der Sehnsucht nach dem Glück führen in die Erzählung an der linken Seitenwand ein, kehren als horizontale Figurenkette mehrfach wieder und verbinden so die einzelnen Szenen.
Die linke Seitenwand berichtet von der leidenden Menschheit (stehende nackte Frauengestalt und ein kniendes nacktes Paar), die Stirnfront von den Gefahren der feindlichen Gewalten (in Gestalt des Giganten Typhoeus mit allegorischen Darstellungen von Krankheit, Wahnsinn und Tod).
Auf der rechten Seitenwand endlich findet die Sehnsucht Erfüllung in der Poesie (Frauengestalt mit Leier), gefolgt von weiblichen Gestalten als Sinnbilder der Künste.
Den Höhepunkt des Frieses bildet ein küssendes Paar vor dem Chor der Paradiesengel.
Klimt nimmt hier direkten Bezug auf Schillers Ode An die Freude
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Und so schließt sich der Kreis zum Himmel voller Herzen im Auftaktbild!
Tipp
- Es lohnt sich, die APP der Wiener Linien aufs Handy zu laden.
- Silvester ist eine gute Zeit, um in Wien zu feiern.
Es ist keine gute Zeit, um große Ausstellungen (gerade z.B. Monet und Bruegel) anzuschauen oder bekannte Gebäude zu besuchen (z.B. die Wiener Hofburg, den Stephansdom oder Schloss Schönbrunn).
Die Warteschlangen sind lang. Man schiebt sich dicht an dicht an den einzelnen Kunstwerken vorbei, wenn man sich darauf einlässt. Und es ist kalt!
Der Stephansdom ist zu 2/3 abgesperrt. Das eine Drittel habe ich mir mit allen anderen Besuchern angeschaut. Auf die großen Ausstellungen verzichtet.
Beim nächsten Mal werde ich eine feiertags- und ferienfreie Zeit nutzen. - Die Tourist-Info am Albertinaplatz ist eine gute Adresse für Stadtpläne, Führungen und Veranstaltungen unterschiedlichster Art. Kostenlose Flyer.
Sinnvoll ist es, sich schon zur Reiseplanung auf der Website zu informieren inklusive interaktivem Stadtplan mit Vermerk aller WLAN-Hotspots der Stadt. - Es gibt eine durchgehende ICE – Zugverbindung zwischen Wien und Dortmund, zweimal am Tag. Ich habe z.B. den Zug um 15.15 Uhr von Wien genommen und war um 23.11 in Koblenz. Mit rechtzeitiger Suche bekommt man für einen akzeptablen Preis sogar ein Supersparangebot in der 1. Klasse.
- Ein Schließfach für einen mittleren Koffer und Rucksack kostet 3.50€ für 24 Stunden am modernen, gut ausgeschilderten Wiener Hauptbahnhof. Unbedingt Münzgeld dabei haben!
Liebe Barbara, das war wieder ein wunderbarer Text mit vielen ausdrucksstarken Fotos. Da mein letzter Wien Besuch nur ein paar Monate zurück liegt, kann ich das Meiste aus eigenem Erleben nur bestätigen. LG Rainer
Lieber Rainer,
danke für deine positive Rückmeldung. Besonders, weil du dich im Gegensatz zu mir in Wien gut auskennst! LG Barbara
Liebe Barbara,
welch eine Vielfalt!
Achtsamkeit hast Du nicht nur der Bahn, sondern Wien in Gänze gezollt!
Von Kunst und Kultur gar bis Religion ist alles dabei – da habe ich sofort Lust selbst wieder einmal nach Wien zu reisen!
Beste Grüße
Daniel
Lieber Daniel,
das freut mich, dass dir mein Beitrag Lust auf Wien gemacht hat! Ich werde auch wieder einmal hinfahren. Unbedingt. Da gibt es noch so viel zu entdecken. Liebe Grüße Barbara