Dieses Jahr kommen meine Weihnachtsgrüße mit Fotos von der Insel Sylt von Ende November.
Sylt – oder die Nordsee allgemein – im Winter ist frische Seeluft, Wind, Kälte und Sonne oft vereint.
Die Strände und Straßen sind belebt, aber nicht voll. Die Saison ist vorbei, und es kehrt eine gewisse Ruhe ein.
Das ist eine perfekte Zeit, um nach Sylt zu fahren, die Landschaft zu genießen – und zu fotografieren.

Eine Fahrt nach Sylt über den Hindenburgdamm ist auch immer eine Nostalgie- und Wehmut -Reise für mich.
Ich habe die Sommerferien meiner Kindheit und frühen Jugend in Keitum bei meiner Großmutter verbracht. Sie hat es am Ende des Zweiten Weltkriegs als Flüchtling aus Hinterpommern unter großen Entbehrungen auf die Insel verschlagen, wo in Keitum am Kirchenweg – heute Alter Kirchenweg – ein Barackenflüchtlingslager eingerichtet worden war. Ich kann mich noch daran erinnern, dass vor der Baracke ein Brunnen mit Pumpe stand. Da haben wir als kleine Kinder gerne gespielt. Für die Erwachsenen war die Flucht und das Leben im Flüchtlingslager allerdings alles andere als vergnüglich.
Ich hatte einen 2 1/2 tägigen Fotoworkshop unter dem Titel Malerische Landschaften – Sylt mit dem Schwerpunkt Langzeitbelichtung und Filterfotografie bei Ronny Behnert gebucht und bin einen Tag früher gefahren, um einen Nostalgiespaziergang vom Munkmarscher Hafen nach Keitum zu machen und zu schauen, ob die alte Brücke noch steht, in die St. Severin Kirche zu gehen und am ehemaligen Haus meiner Großeltern vorbeizulaufen.
Und auf diesen Spaziergang nehme ich euch jetzt mit!
Von unserem gemütlichen Hotel in der Strandstraße bin ich zum Busbahnhof gelaufen und kam dabei an einem Süßigkeitsladen, einem Teegeschäft mit einer großen Auswahl an interessanten Teevariationen, dem einzig- und großartigen Bürstenhaus Redecker und den unvermeidlichen Reisenden Riesen im Wind, einer Skulptur des Bildhauers Martin Wolke von 2001, vorbei.





Der Bus fuhr über Wennigstedt und Rantum zum Munkmarscher Hafen, von wo ich meinen Spaziergang nach Keitum begann.
Der Hafen ist im Winter nicht sehr fotogen, aber mit einer Langzeitbelichtung und Filtern bekommt er glatt etwas Magisches und Geheimnisvolles.

Es ist auch unverkennbar, dass die Kartoffelrose (oder auch Syltrose) mit ihren großen, leuchtend roten Hagebutten es mir besonders angetan hat. Sie ist für mich der Inbegriff von Sylt.
Die Kartoffelrose fühlt sich besonders an den Küsten heimisch, weil sie Salz und Wind trotzen kann. Auch sandige Böden scheint die Pflanze zu bevorzugen. Auf Sylt gelangte die Kartoffelrose vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, als man Bunker damit tarnte.









Dieses Schild ist auf der Brücke angebracht, die ich als eher baufällig in Erinnerung habe. Sie war malerisch zum Fotografieren und mein Vater hat sie in den 60er Jahren aquarelliert.
Das Schild ist einem Sylter Original gewidmet, das allseits beliebt und durch seine vielen Fotos auf Facebook eine gewisse Bekanntheit errungen hat.


Im Volksmund heißt sie Lügenbrücke. Denn früher haben die Erwachsenen den Kindern erzählt, wenn sie lügen würden, dann würde die Brücke beim nächsten Mal zusammenbrechen, wenn sie sie überqueren. So stabil wie die Brücke jedoch jetzt ist, werden Kinder wohl nicht mehr auf dieses Märchen reinfallen.

Die St. Severin Kirche in Keitum steht auf einer Anhöhe und ist weithin sichtbar.
Sie ist eine wunderschön schlichte romanische Kirche, die durch ihre verbauten Materialen den Stürmen Widerstand geleistet hat.
Beim Gang um die Kirche erkennt man den Sockel aus schweren Granitquadern. Das rheinisches Tuffgestein und die Backsteine, aus denen Kirchenschiff, Chorraum und Apsis erbaut sind, werden von weißen Farbschichten überdeckt. Romanische Stil-Elemente sind an dem Ostfenster der Apsis und den gemauerten Rundbögen über den Eingängen zu erkennen. Das Kirchendach ist mit schwerem Blei gedeckt und hat jahrhundertelang allen Stürmen widerstanden.
De grote Mandränke von 1362 – die große Sturmflut des Mittelalters – entvölkerte die Insel, die Kirche verwaiste. Aus dem Erzbistum Köln machten sich Missionare auf den Weg nach Nordfriesland und gewannen die Sylter wieder für den christlichen Glauben.
Der Kölner Bischof Severin aus dem 4. Jahrhundert wurde der Namenspatron, seit 1544 ist St. Severin evangelisch-lutherisch.

Legendär sind die Mittwochskonzerte, die seit 70 Jahren regelmäßig stattfinden.
Leider habe ich ein Konzert verpasst dank 4stündiger Verspätung der Deutschen Bahn.
Und in die Kirche konnte ich auch nicht gehen, weil eine Beerdigung kurz bevorstand.
Friesenhäuser in Keitum
In Keitum gibt es viele eindrucksvolle Friesenhäuser mit ihren typischen Reetdächern und roten Klinkerfassaden. Und es macht Spaß, durch den Ort zu gehen und die Häuser zu bewundern.
Nachdem das Flüchtlingslager am Kirchenweg aufgelöst wurde, konnten die Flüchtlinge in Mehrfamilienhäuser ziehen oder auf dem Kirchenland ein Stück Land pachten und darauf bauen.
Das haben meine Großeltern gemacht. Mein Opa war Ofenbauer und viele Freunde und Bekannte waren ebenfalls Handwerker und haben sich gegenseitig beim Hausbau geholfen. Das ehemalige Haus meiner Großeltern steht noch am (Alten) Kirchenweg mit Steinwall und Kartoffelrosenhecke.





Am Nachmittag zog die Kälte an, ich nahm einen Espresso bei Oma Wilma, schräg gegenüber der Bushaltestelle und fuhr wieder nach Westerland zurück. Beim nächsten Keitumbesuch versuche ich, bei Oma Wilma zu essen. Es ist ein sehr gemütliches Restaurant mit deftiger Speisekarte und freundlichem Personal.
Es war ein wohltuender Ausflug mit Erinnerungen an meine Sommerferien auf Sylt.

Nach einem ersten Treffen der sympathischen Fotogruppe zum Abendessen ging es am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang in die Braderuper Heide, um Langzeitbelichtung zu machen. Es war frostig kalt, aber die Sonne kam heraus und verströmte ihr mildes Licht.
Das Frühstück danach schmeckt um so besser!





Buhnen im Watt und Buhnen bei Flut



Zum Sonnenuntergang waren wir einmal am Hafen von List und haben anschließend dort lecker Fisch gegessen.


Ich schließe meinen Beitrag mit zwei Fotos vom Quermarkenfeuer in den Dünen von Kampen.
Das Quermarkenfeuer Kampen symbolisiert ein wichtiges Stück maritimer Geschichte auf Sylt.
Errichtet zwischen 1912 und 1913, spielte es eine entscheidende Rolle in der Navigation und Sicherheit der Schifffahrt. Es warnte vor der Sandbank im Einfahrtsbereich zum Lister Tief.
Der achteckige Turm, mit einer Höhe von 23 Metern und einer Nenntragweite des Lichts zwischen 11 und 16 Seemeilen (je nach Farbe des Lichts), war bis 1974 eine wesentliche Navigationshilfe. Seine unverputzte Betonstruktur, gekrönt von einer weißen Laterne mit grünem Kupferdach ist ein markantes Beispiel für die Architektur von Leuchttürmen Anfang des 20. Jahrhunderts.


Ich finde, dass Leuchttürme mit ihrer Symbolkraft Licht, Wegweiser und Sicherheit gut in die Adventszeit und eigentlich auch immer passen.
Sylt ist eine Reise wert, besonders außerhalb der Saison.
Und das entschleunigende Fotografieren in der Natur ist Balsam für die Seele.
Danke dafür an Ronny Behnert und Daniel Hohlfeld.
Ich wünsche euch allen entspannte und
frohe Weihnachtstage, Gesundheit, Freude und Zuversicht im neuen Jahr!
Herzliche Grüße, Barbara

Ein wunderbarer Reisebericht mit beeindruckenden Fotos ist das geworden, liebe Barbara. Als Teil der „Reisegruppe“ vom Fotoworkshop erinnere ich mich gern an die schöne Zeit auf Sylt zurück. Ich wünsche Dir fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr – bei bester Gesundheit. Sei ganz herzlich gegrüßt von Anja
Liebe Anja,
herzlichen Dank für deine Rückmeldung! Darüber habe ich mich sehr gefreut, weiß ich doch, wie eindrucksvoll deine Fotos sind.
Ich habe mich in der Gruppe und den beiden Fotografen sehr wohl gefühlt. Da hat das Fotografieren in der Natur um so mehr Freude bereitet.
Ich wünsche dir auch frohe Festtage und alles Gute fürs neue Jahr!
Liebe Grüße
Barbara
Wie immer hast du mit wunderbar stimmungsvollen Fotos besondere Eindrücke festgehalten!!
Man stelle sich vor, das Haus deiner Großeltern wäre noch in eurem Besitz: ein Verkauf würde ein sanftes Polster ergeben 😉😉
Liebe Lisa,
danke für deine prompte Rückmeldung!
Ich liebe Sylt, wobei mein Urteil absolut subjektiv und stark geprägt von meinen Kindheitserinnerungen ist. An der Landschaft hat sich seit meinem letzten Besuch von 2004 (!) nichts geändert. Der Weg von Munkmarsch nach Keitum ist genauso schön wie früher. Die alte Brücke war aber malerischer. Und auch in Westerland gibt es noch die alteingesessenen Geschäfte von früher. Erstaunlich.
Das Haus hat nie meiner Familie gehört. Deshalb ist es müßig, darüber nachzudenken. Aber ich habe mich gefreut, es wiederzusehen.
Liebe Grüße
Barbara