Kopenhagen: Hier geht der Punk ab!

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Es ist nicht die Linse meiner Kamera, die beschlagen ist, sondern die Vernebelung im Feature Foto ist Teil der Inszenierung rund um das 20-Gänge Menü im Restaurant Punk Royale Kopenhagen.

Abenteuer Punk Royale 

Mein Sohn Jan, Souschef in einem Sternerestaurant, hat sich für unseren Wochenendtrip Kopenhagen mit Schwerpunkt  Nordic Cuisine ausgesucht.
Von der Vielzahl an hervorragenden Möglichkeiten fiel seine Entscheidung auf das Restaurant Punk Royale.
Das etwas andere Restaurant mit einer Küche auf Sterne -Niveau.

Oder wie der renommierte Foodblogger Anders Husa über das Stockholmer Pendant des Punk Royale schreibt, eine

„Bizarro World of Luxurious Dining“

Auf der Website des Punk Royale erscheint:

• das Logo mit der geöffneten Kaviardose
• die Info, dass das Menü mit Getränkebegleitung 995 DKR (etwa 134 €) kostet,
• dass Mi-Sa geöffnet ist und
• man online ab drei Monate vorher reservieren kann.
Mehr nicht. Das Hintergrundbild in schwarz-weiß zeigt zwei rauchende junge Männer in einem unaufgeräumten Raum.

Ich habe mich auf das Abenteuer Punk Royale eingelassen!

Es gibt eine Doppelbesetzung am Abend. Wir haben uns für die erste von 18-20.45 Uhr entschieden.
Mein Sohn hatte mir versichert, dass das Essen erstklassig sei, hatte aber große Sorge, dass ich von dem „Entertainment“ verstört sein könnte. Mit dem Essen lag er völlig richtig!

Das Ambiente

Die Aussenansicht des Restaurants in der Dronningens Tværgade 10  ist schlicht und unscheinbar wie das Logo auf der Milchglasscheibe. Der Backstein, der die Tür aufhält, schon eher überraschend.

 

Die Innenansicht entspricht dann dem Punk-Anteil im Namen des Restaurants:

Wir bahnen uns den Weg durch zerrissene Vorhänge und den Rauch einer Nebelmaschine.  Plakate und Graffittisprüche an den dunklen Wänden, rotgemusterte Stoffbahnen, die im Raum drapiert sind und Plüschtiere und Puppen, die von der Decke hängen. Rock der 70er Jahre spielt.

Eine Provokation und Herausforderung für jedes gediegene Restaurant!

Ich muss schmunzeln: Mich erinnert die Einrichtung an die Stammkneipe meiner Jugend: das Jazz-House in Wiesbaden. Da hingen Plakate an den Wänden und Eierkisten an der Decke. Oft jazzige Livemusik. Der Qualm kam von den Zigaretten und zum Essen gab’s Soleier, Frikadellen und Schmalzbrote.

Joakim Almqvist, Küchenchef des Punk Royale:
„Why should there be white tablecloths, expensive glasses and fine cutlery before it can be a good restaurant? Does the food taste better? Fuck no! The food tastes better if the chef is good.“

(zit. nach https://munchies.vice.com/da/article/59jy4z/svenskerne-bag-punk-royale-vil-erobre-koebenhavn-med-roegmaskine-og-kaviar)

Das Essen

Und hier beginnt der royale Teil des Namens:

ausgesuchte, hochwertige Zutaten aus der Region werden zu einem Geschmackserlebnis komponiert, das ich so überraschend und gleichzeitig harmonisch vorher noch nicht erlebt habe. Mit hoher Konzentration, Präzision und Geschwindigkeit in einer blitzblanken Edelstahlküche geschaffen.

Die Speisenfolge, soweit sie uns in Erinnerung blieb (Speisekarte? Never!):

Topinambur/ Heumayo
• Crabcake
• Pork crackling/ Käse
• Caviar/ Wodka
• Omelette/ Pfifferlinge/ Trüffel
• Jakobsmuschel/ Pilze
• King crab -Lolli
• Auster/ geeiste Holunderbeere/ Curry
• Leberpraline/ Hagebutte/ Portwein
• Blutwaffel/ Aal/ Crème fraîche/ Rogen
• Kartoffel/ Apfel/ Hering
• Jungle Taco
• Kabeljau/ Kartoffel/ Käse
• Languste/ Leber/ Blumenkohl
• Apfelkuchen
• Schokosorbet

Hampus Risbjerg, one of the chefs at Punk Royale:
„Here’s just rock and roll and free rein […] The only rule is that you have to make good food.“

(zit. nach https://munchies.vice.com/da/article/59jy4z/svenskerne-bag-punk-royale-vil-erobre-koebenhavn-med-roegmaskine-og-kaviar)

Die Inszenierung – ganz großes Theater

Willkommen

Durch den Nebel hindurch werden wir von einer jungen Frau hinter der Bar freundlich begrüßt und einem dynamischen jungen Mann an unseren Tisch geführt.

Setting

Der schlichte Holztisch ist eingedeckt mit einem Teelöffel auf einer Stoffserviette, einem einfachen Weinglas, einem bunt bedruckten Wasserglas, das an frühere Kindergeburtstage erinnert, einem Schnapsglas, einer weißen Kerze, einer Karaffe mit gefärbtem Wasser. Wir sitzen auf einfachen Holzstühlen.

Der junge Mann heißt uns willkommen. Er fragt nach bestehenden Allergien und ob wir die alkoholische oder nicht alkoholische Variante des Menüs bevorzugen. Die Getränke begleiten passend das Menü.

Regieanweisung

Das Menü besteht aus 20 Gängen. Die ersten werden in schneller Abfolge gereicht. Dann verlangsamt sich das Tempo. Ein großer Teil der Gänge besteht aus mundgerechten Bissen, die man  komplett in den Mund nehmen soll, damit sich die Geschmackskomposition entfalten kann.

Highlights der Inszenierung

Kaviar/Wodka

Die Dame von der Bar geht mit einem roten Plastikbenzinkanister an die Tische und füllt daraus die Schnapsgläser mit Wodka. Gleichzeitig fordert ein anderes Teammitglied jeden Gast auf, den Handrücken auszustrecken. Darauf wird ein großzügiger Kleks Kaviar platziert und die Anweisung lautet: Kaviar vom Handrücken schlürfen und mit Wodka herunterspülen. Genuss pur!

Omelette/Pfifferlinge/Trüffel

Ein Eierkästchen mit einem rohen Ei, am Kopfende aufgeklopft, wird am Platz abgestellt mit der Ermahnung: Don’t touch it. Und der gewollte Effekt stellt sich umgehend ein: man würde zu gerne das Kästchen bewegen und wissen, was es damit auf sich hat. Die Spannung ist erzeugt! Ein kochendheisses Pfännchen folgt. Ein Koch schlägt das Ei darin auf und gibt Pfifferlinge und Trüffel zur Eimasse. Umklappen. Fertig ist das Omelette. Sehr lecker!

Jakobsmuschel/Pilze

Auf einem Tablett liegen Esslöffel mit Jakobsmuschel und Pilzen. Die Dame vom Team bietet den Löffel direkt in den Mund an. Eine wahre Geschmacksexplosion!

Jungle Taco

Ein weißer Einmal-Handschuh landet auf dem Tisch mit der Aufforderung, ihn anzuziehen. Verunsicherung und Neugier beim Gast: Was haben die jetzt vor? In einem Bambuskörbchen liegt für uns je ein knackiges Salatblatt mit marinierter Rote Beete. Wir drücken das Salatblatt wie ein Taco zusammen und essen aus der Hand. Ah! Dafür war der Einmal-Handschuh gedacht!

Das Finale

Zum Dessert kippt ein Teammitglied Wodka auf den Fußboden und flambiert ihn. Feuerwerk als Abschluss!

Eine planvolle Inszenierung mit Spannungsbogen und gelungenem  Finale. Chapeau!

Fazit

Jan:

aggressiv, laut, strukturiert, geradlinig, provozierend, anspielend, verspielt, rockig, exakt, balanciert, einprägsam, einzigartig, professionell

 

Punk Royale Kopenhagen
Jan mit dem Küchenteam

10 Replies to “Kopenhagen: Hier geht der Punk ab!”

  1. Liebe Barbara, Kopenhagen ist meine zweite Heimat, da ich als Teenager 4 Jahre dort gewohnt habe und zur Schule gegangen bin. Es ist meine absolute Traumstadt und ich bin jedes Jahr ein Mal dort und genieße die Atmosphäre. Mit diesem Beitrag hast du mir eine große Freude gemacht.
    Danke?Renate

    1. Liebe Renate,

      sehr gerne! Wir haben uns neben der kulinarischen Seite die Stadt erlaufen und Sonne und Wasser genossen. Ich bin auch sehr beeindruckt von der dänischen Architektur. Dazu später mehr…

  2. Liebe Barbara,

    da erhält das Wort „cool“ doch endlich eine klare Definition und eine Wertschätzung des Begriffes.

    Schön, dass wir als Leser/in am Abend teilnehmen können!

    Beste Grüße

    1. Es freut mich, dass du als Leser den Abend nachvollziehen kannst, obwohl ich von den einzelnen Gängen keine Fotos machen konnte und wollte, sondern nur schmecken und genießen. Ein cooler Abend.

  3. Ich war zwar auch schon in Kopenhagen, aber das Lokal haben wir da nicht besucht. Ich glaube, für Michael wäre das auch nichts gewesen und ich wäre vielleicht auch überfordert gewesen, wenn der Einmalhandschuh gekommen wäre.
    Das klingt nach einer gelungenen Inszenierung.

    1. Das Restaurant wurde erst am 10. Januar 2018 in Kopenhagen eröffnet. Ich kann gut verstehen, dass man sich überfordert fühlen kann. Man muss sich wirklich darauf einlassen. Und ich wußte von Jan: das Essen ist vorzüglich. Die Inszenierung hat mich überzeugt. Die Stimmung war fröhlich, das Küchenteam freundlich und so bescheiden!

  4. Barbara, es ist unglaublich, was du alles erlebst! Fantastisch!!! Jan könnte gut zum Team des Restaurants passen…

    1. Ja, ich bin sehr dankbar, dass ich so viele schöne Momente erleben und genießen kann. Jan ist von der nordischen Küche begeistert. Wir haben uns beide in Kopenhagen sehr wohl gefühlt.

    1. Lieber Robert,
      danke für deine Rückmeldung! Das war wirklich ein einzigartiges Erlebnis. Hat riesig Spaß gemacht!

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